11. Dezember 2012

Beautiful




Jahr: 2009

Genre: Drama, Thriller

Regie: Dean O‘Flaherty

Schauspieler: Tahyna Tozzi, Sebastian Gregory








Plot:
Sunshine Hills, ein kleiner Vorort mit einem wunderschönen Namen und einer nicht dazu passenden, neuzeitlichen Geschichte. Es geht das Gerücht um, dass 3 junge Frauen einem Missbrauch zum Opfer gefallen sind und später brutal zugerichtet wieder gefunden worden sind. Allerdings konnten diese Verbrechen nie wirklich aufgeklärt werden. In diesem Örtchen lebt Daniel mit seinem Vater und seiner Stiefmutter. Er ist ein zurückgezogener Junge der die Welt am liebsten durch seine Kamera betrachtet, besonders die etwas ältere Nachbarstochter, Susi. Diese interessiert sich für die Ereignisse in dem Ort und schafft es relativ leicht, Daniel für sich einzuspannen und für sie zu ermitteln. Anfangen soll er bei der Frau, die die Straße hinunter Tag für Tag einfach nur am Fenster steht und mit niemandem Reden will. Ist sie ein baldiges, weiteres Opfer?

Über den Film:
Nun, was soll man über den Film sagen. Was er als Film aussagen will schafft er weniger durch die gezeigten Szenen, also sich selbst, sondern mehr über seine Existenz als Produkt an sich. Das Cover verlockt mit seinem sexy Bikinishot der Hauptdarstellerin sicher einige zum Kauf, welche nach dem Genuss des Materials wohl sicher recht enttäuscht sein dürften. Der Film versucht zwanghaft Tiefe aufzubauen, zum Beispiel über lange Schnittszenen, welche wohl metaphorisch angehaucht sein sollen, und viele Szenen, die für den eigentlichen Hauptplot ziemlich irrelevant sind. Wie geschrieben, versucht. Wäre die eigentliche Handlung über das idyllische Vorstadtleben, in dem hinter jeder Haustür ein ganz eigener, grauenhafter Abgrund zu finden ist, nicht so dünn und stellenweise unlogisch, würde das aber vielleicht gar nicht so auffallen. Und denkt sich der geneigte Zuschauer gegen Ende sein Teil dabei, vielleicht sogar etwas wohlwollender, ein nettes: „Ok, war nix, aber wenigstens rum“ haut der Film einem nochmal mit einer so spitz und übertriebenen, unvorhersehbaren Wendung was um die Ohren, da wäre jede Seifenoper neidisch.
Technisch gesehen geht der Film soweit in Ordnung, bis auf die wirklich grottige – und ich seh‘ gern mal über dein ein oder anderen Mängel hierbei hinweg – deutsche Synchronisation.

Meinung:
Beautiful bringt durch seine pure Existenz seine Aussage mehr an sein Publikum als durch sein Inhalt. Das will auf gewisse Weise schon was heißen, aber als Zuschauer ist man hinterher doch sichtlich enttäuscht, fehlt es dem Film doch an der Tiefe, die er sich so zwanghaft selbst einreden will. Zurück bleibt eine seltsame Mischung American Beatuy und Desperate Housewives.

6. Oktober 2012

Klass




Jahr: 2007

Genre: Drama

Regie: Ilmar Raag

Schauspieler: Vallo Kirs, Pärt Uusberg, Lauri Pedaja








Plot:
Joosep ist ein ruhiger, zurückgezogener Junge mit leicht autistischen Zügen. Das macht ihn wohl zum idealen Opfer täglicher Klassenstreiche und –höhne. Im Sportunterricht, beim Basketballspielen bekommt er nicht den Ball zugespielt und wenn er ihn mal hat, sofort wieder abgenommen. Als er den letzten Wurf im Spiel selbst verwirft wird ihm von Anders, einem Klassenkameraden, vorgeworfen, er sei an ihrer Niederlage schuld. In der Umkleide steigern sich die anderen Jungs mit hinein, was darin gipfelt, dass Joosep nackt in die benachbarte Mädchenumkleide geworfen wird. Kaspar, ein weitere Mitschüler, hält die Tür von außen zu. Thea, seine Freundin, versucht sie von innen zu öffnen, was er nach kurzer Zeit dann auch zulässt. Doch Anders sieht dieses Verhalten als Hilfe für Joosep an und ist sauer auf Kaspar. Auf der abendlichen Party kommt es zur handgreiflichen Auseinandersetzung der beiden und am nächsten Morgen ist Kaspars Stuhl mit Farbe beschmiert. Der einzige, weitere freie Stuhl: Neben Joosep. Die Spirale rund um Mobbing, Lügen und Gewalt nimmt ihren unverheißungsvollen Lauf …

Über den Film:
Der Plot beginnt relativ einfach und wie für Filme um Mobbing in Schulen gewohnt. Ein Opfer, der von einem Leitwolf der Klasse niedergemacht wird und alle anderen folgen ihm. Sei es aus ähnlichen Gründen oder aus Angst, selbst Opfer zu werden, wenn sie zögern. Doch der eigentlich interessante Aspekt des Filmes ist die zweite Sicht der Dinge, die von Kaspar. Ihm wird immer mehr klar, was genau da passiert und wie hilflos er der Sache eigentlich gegenübersteht. Der eigentliche Grund dafür bleibt an sich unklar, ob er jetzt Joosep aus der Umkleide helfen wollte oder er die Situation seiner Freundin Thea nicht mehr weiter zumuten wollte ist an sich egal, er zeigt Schwäche. Und wird damit ebenfalls Ziel von Attacken, bei denen er bis jetzt selbst nur zugesehen hatte.
Die Erwachsenen in dem Film, Eltern und auch Lehrer, sehen bei der Sache von außen zu. Zum einen hilflos zum anderen ohne überhaupt zu erkennen, was da eigentlich vor sich geht. Ebenso hilflos fühlt sich der Zuschauer, es wird keine – oder kaum eine – Möglichkeit gezeigt, wie sich Joosep und später auch Kaspar aus ihrer Situation befreien können. „Schlag zurück!“ meint Jooseps Vater – wie denn, allein gegen 5. „Wir müssen mit der Schule reden!“ schlägt Jooseps Mutter vor – aber der Zusammenhalt der Täter lässt auch dieses Vorhaben gegen die Wand laufen und macht die Situation danach nur noch schlimmer. Ebenfalls jeder Versuch der Lehrer, etwas dagegen zu unternehmen oder überhaupt die eigentlichen Verursacher ausfindig zu machen. Sehr gut dargestellt ist auch die Auswirkung auf die Beziehung von Thea zu Kaspar. Der Druck der restlichen Klasse treibt Thea immer weiter von ihrem Freund weg, sie will nicht selbst zum Opfer werden.
Nach drastischen Prügel für Joosep und Kaspar, psychischem Druck und sogar sexueller Demütigung der beiden gipfelt der Film in einem Massaker, als vom Vater immer wieder geforderte Rückschlag doch mal kommt – und es trifft mindestens genausoviel Leute, die mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben. Eine Frage bleibt: War das wirklich der einzige Ausweg oder kann der Kreislauf auf andere Weise durchbrochen werden? Offenes Vorgehen? Durchhalten nach dem Motto:

„Ich sterbe nicht. Euch zum Trotze.“

Meinung:
Klass zeigt den erbarmungslosen Sog um Mobbing Schritt für Schritt auf und lässt seine Opfer, genauso wie den Zuschauer, hilflos zurück. Das Verhalten von Tätern, die sich hinter ihrem Leitwolf Anders verstecken und mitmachen – sei es nun aus eigenem Vergnügen oder aus Angst, selbst der Nächste zu sein – bleibt stets nachvollziehbar. Auch die Reaktionen von Joosep und Kaspar sind zu verstehen. Es gibt Situationen, in denen offensichtlich anders gehandelt werden könnte, aber da bleibt die Frage: Hilft das oder macht es das nur noch schlimmer? Letzteres ist oft zu sehen, Versuche Kaspars zu Helfen gehen nach hinten los, Joosep bekommt es nur noch heftiger ab und Kaspar selbst ebenso.

Klass ist eine großartige Studie zum Thema Schulgewalt und Mobbing, das Aufzeigen der Hilflosigkeit gegenüber einem zusammenhaltenden Tätervolk - ein fürchterliches Drama des Alltages.

31. Juli 2012

Lost Highway




Jahr: 1997

Genre: Thriller, Horror

Regie: David Lynch

Schauspieler: Bill Pullman, Patricia Arquette, Balthazar Getty







Plot:
Dick Laurent ist tot.“ – Diese Worte bringen Fred Madisons leben komplett durcheinander. Er lebt mit seiner Frau Renée in einem Haus in Los Angeles. Ihr Verhältnis scheint nicht das Beste zu sein, so will sie ihn nicht zu einem seiner Auftritte begleiten und ihm auch nicht wirklich sagen, warum. Außerdem ist ihr Sexualleben nicht wirklich befriedigend und Fred ist weiterhin von Eifersucht geplagt. Eines Morgens finden sie ein Videoband vor der Tür, welches ihr Haus von außen zeigt. Sie sind zwar verwirrt, aber lassen das Band links liegen. Auf dem Zweite Band, dass sie finden, ist zusätzlich noch ihr Wohnzimmer und das Schlafzimmer zu sehen, in dem die beiden gerade schlafen. Alarmiert davon rufen sie die Polizei, welche zwar keine Spuren finden kann, aber verspricht, das Haus zu beobachten.
Eines Abends besuchen beide die Party eines Freundes von Renée, welche mit diesem ausgiebig tanzt und ihren Mann zum Getränkeholen schickt. Dort wird er von einem Mysteriösen Mann angesprochen, welcher behauptet, dass sich beide schon einmal getroffen haben und er sich gerade bei Fred zuhause befinden würde. Zum Beweis lässt er Fred bei sich anrufen.
Fred findet ein drittes Videoband, auf dem er in seinem Schlafzimmer zu sehen ist, zwischen den Leichenresten von Renée knien und schreien. Unter akutem Tatverdacht wird er zum Tode durch den elektrischen Stuhl verurteilt und in die Todeszelle gesteckt. Nach andauernden Kopfschmerzen Freds findet der Wärter am Morgen allerdings Pete Dayton in derselben Zelle vor, der sich an nichts erinnern kann und freigelassen wird.

Über den Film:
Lost Highway ist ein, für Lynch typisch, verwirrender Film mit Thriller und leichten Horrorelementen. Ebenso typisch lässt sich einiges in Story, Bild und Charaktere hineininterpretieren. Wer macht die Aufnahmen? Der Mysteriöse Mann, der in gewisser Weise an eine Art Mephisto in bester Faustmanier erinnert? Zumindest lässt das das Ende des Films stark vermuten. Was zur nächsten Frage führt: Wer ist er? Ein geheimer Drahtzieher hinter den Ereignissen? Ein von Fred gerufener Hilfsleister, der mit ihm seine Ziele erreichen will? Das bleibt relativ offen, wobei er ihn am Anfang des Filmes nicht zu kennen scheint, umgekehrt schon und gegen Ende des Films, welches storytechnisch weiter am Anfang scheint, sich beide kennen oder gerade kennengelernt haben. Und vor allem: Was hat es mit den Verwandlungen auf sich? Oft wird interpretiert, dass es sich bei der Story um eine Möbius-Kurve Handelt, der Film sich also in der Mitte umkehrt und in gewisser Weise gegenteilig abläuft. Das Gegenteilige ist vor allem beim Protagonisten zu erkennen. Wo Fred zwar recht erfolgreich, aber älter und abgebrannt wirkt ist Pete ein einfacher Handwerker, aber jung und attraktiv. Auch sexuell sind die Unterschiede zu erkennen. Viele Elemente kommen in beiden Storysträngen vor, auch in sich umgekehrt. Freds Renée, mit glattem, braunen Haar, eher distanziert, aber gleichzeitig auch liebevoll und dagegen Petes Alice, mit hellblondem, leicht lockigen Haaren, sucht die Nähe, aber bleibt meistens trotzdem eher kalt, wobei beide Frauen von derselben Schauspielerin gespielt wird. Es gibt noch zahlreiche weitere Hinweise wie diese.
Wobei ich die Interpretation als Möbiuskurve nur zum Teil unterschreiben würde, da dies bedeuten würde, dass die Geschehnisse von Fred und Pete gleichermaßen in dieselbe Richtung, aber umgedreht ablaufen müssten. Allerdings ist es meiner Meinung nach viel eher so, dass die Storylines gegenläufig sind, also das, was bei Fred anfangs passiert, passiert bei Pete gegen Ende. Zu sehen ist das zum Beispiel bei der zweiten Verwandlung, diesmal von Pete zu Fred. Pete befindet sich kurz vorher in einem Korridor eines Hauses, bei dem die Zimmertüren nummeriert sind und betritt das Zimmer mit der Nummer 26, wo eine Frau, die wie Alice bzw. Renée aussieht, mit einem Mann schläft. Kurz nach der Verwandlung ist Fred in einem Motel, in einem ähnlichen Gang. Er betritt den Raum 25, der sich auf der anderen Seite befindet, während in Raum 26 diesmal wirklich Renée mit Dick Laurent zu Gange ist.

Meinung:
Verwirrend, von der Atmosphäre recht abwechslungsreich und experimentell. Lost Highway ist, wie schon geschrieben, ein typischer Lynchfilm. Er bietet sehr viel Spielraum für Interpretationen und auch hier wird es keine wirklich richtige geben. Lynch hat bei diesem Werk in jeder Hinsicht wieder gute bis sehr gute Arbeit geleistet. Ob es sich hierbei um ein Thriller handelt, bei dem der Protagonist einen Pakt mit dem Teufel schließt, um sich an seiner Frau und ihrem Liebhaber zu rächen, oder einen Horrorfilm, in welchem der Ehefrauenmörder eine Art private Hölle durchleben muss, oder … Da sollte sich jeder sein eigenes Bild machen! Verwirrender Thriller nach typischer, grandioser Lynchmanier.

8. Juli 2012

Bellflower




Jahr: 2011

Genre: Drama, Romanze

Regie: Evan Glodell

Schauspieler: Evan Glodell, Jessie Wiseman, Tyler Dawson








Plot:
Woodrow und Aiden sind zwei Mad Max Freaks, die auf Endzeitszenarien, dazu passende fahrende Untersätze und Flammenwerfer stehen. Die beiden Jungs aus Wisconsin sind deswegen extra in einen Vorort von Los Angeles gezogen, um sich ganz der Bastelei entsprechender Utensilien zu widmen. Sonst kein Ziel vor Augen besaufen sie sich regelmäßig, auch in diversen Pubs. Dort lernen sie bei einem Grillenwettessen Milly und Courtney kennen. Spontan fahren Woodrow und Milly während ihres ersten Dates nach Texas und genießen nach ihrer Rückkehr das unbeschwerte, jugendliche Leben. Doch das kann eigentlich nicht mehr lange gut gehen …

Über den Film:
Bellflower fängt gemächlich, fast langsam an. In der ersten Hälfte ist es ein Liebesfilm, der alles beleuchtet: Das Kennenlernen, das Näherkommen, das erste Mal … und gleichzeitig zeigt er, fast nebenbei, wie viel weniger Zeit sich Woodrow für seinen besten Freund Aiden nehmen kann. Es sind gewisse Vor- und Nachteile und eben die Dinge, die sich wie selbstverständlich entwickeln. Und fast wie selbstverständlich kann die eigentliche Idylle nicht auf Dauer gut gehen, das ahnt der Zuschauer und auch Woodrow scheint das in seiner noch herrschenden, fast kindlichen Naivität zu ahnen.
Das eigentlich Schöne und tolle verquert sich quasi ins Gegenteil und lässt den Protagonisten mit der herrschenden Realität, seinen Gedanken und seiner Verwirrung alleine. Großartig unterstützt wird das durch die Erzählweise, die im zweiten Teil des Filmes vorherrscht, man kann sich nie sicher sein, was jetzt wirklich passiert oder was Woodrow sich vorstellt zu tun, aber nie in die Tat umsetzt. Das Ganze ist vielmehr ein Abschied von der Jugend und damit ein Erwachsenwerden, ein Aufgeben der eigenen Träume, wie die der Freunde, sich wie bei Mad Max in einer aufgemotzten Endzeitkarre durch die Gegend zu fahren und sich von auf der Straße selbstgeschossenen Vieh zu ernähren. Und wenn dann die große Apokalypse kommt, sind sie mit ihrer „Mother Medusa“ ja bestens vorbereitet.
Sehr erwähnenswert ist die Große Eigenleistung von Produzent, Regisseur, Storyschreiber und Hauptdarsteller Evan Glodell. Nicht nur fast allein hat er diesen Indiefilm geschaffen, er hat für ihn auch extra eigene Kameras gebaut, die ihm einen unverwechselbaren und verdammt großartigen Look schenken.

Meinung:
Was in gewisser Weise als Liebesfilm beginnt entwickelt sich mit der Zeit in einer Art in das, was sich Woodrow und Aiden eigentlich schon immer gewünscht haben. Es ist zwar nicht die gesamte Welt, die untergeht und somit ein großartiges Endzeitszenario abgibt, es ist vielmehr  das eigene, kleine Leben, welches in seiner Form so nicht mehr weitergehen kann. Getragen von dem eigenen Stil entfaltet sich ein actiongeladener Weltuntergang im Kopf des Protagonisten, auf die er wohl nicht so gut vorbereitet war, wie er immer meinte. Die Apokalypse der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt.

6. Juli 2012

God Bless America




Jahr: 2011

Genre: Schwarze Komödie

Regie: Bobcat Goldthwait

Schauspieler: Joel Murray, Tara Lynne Barr









Plot:
Frank ist eigentlich ein armer Tropf. Seit elf Jahren in einem Bürojob gefangen und getrennt von seiner Frau und der gemeinsamen Tochter lebend muss er sich nachts noch das Geschrei der Nachbarn über Lindsay Lohans neusten Absturz oder den peinlichen Kandidaten bei American Superstars anhören, genauso wie das des Babies, das einfach keine Ruhe geben will. Wachgehalten davon und von seinen Kopfschmerzen bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als seine Zeit vor dem Fernseher totzuschlagen. Klingeltonwerbung, eine Doku über eine Frauen-WG, in der sich die Bewohnerinnen gegenseitig ins Essen machen und mit benutzen Tampons bewerfen, überzogene Lächerlichmachung des aktuellen Superstarskandidaten und verzogene Gören, die sich über den falschen Wagen zu ihrem Sechzehnten Geburtstag aufregen bestimmen das Medienbild. Seine Nachbarn erschießen, das wäre doch was, aber das kann ja nur Phantasie bleiben. Oder?
Tags darauf wird Frank aus fadenscheinigen Gründen entlassen, sein Arzt teilt ihm mit, dass seine Kopfschmerzen wohl von einem Hirntumor herrühren und seiner Tochter ist ihr GameBoy und ein iPhone offensichtlich wichtiger, als der wöchentliche Besuch bei ihm. Mit seiner alten Pistole im Mund und vor laufendem Fernseher fasst er einen Entschluss. Warum sich töten, wenn er auch Chloe, das verzogene Gör‘ erschießen könnte? Kurzerhand klaut er den Wagen des Nachbarn und fährt los.

Über den Film:
Schon im ersten Moment wird klar: God Bless America will mit der aktuellen Popkultur abrechnen. Überzogene Darstellungen der momentanen Fernsehformate in Amerika, die so oder ähnlich auch bei uns ausgestrahlt werden, zeigen, dass etwas falsch läuft. Ein Skandal jagt den nächsten, jeder Schlimmer und Unsozialer als der davor. Leicht philosophisch angehaucht kommentiert Frank das ganze erst, redet auch mit anderen darüber, stößt aber auf allgemeines Unverständnis. Dann tut er das, was viele selbstauserkorene Antimainstreamler wohl recht gutheißen würden. Und damit spielt der Film diesen natürlich direkt in die Arme. Leider wirkt die Aussage des Films, vor allem durch einige belehrende Monologe von Frank, vor allem seiner Abschlussrede, recht aufgesetzt. Ihr seid dumm, macht’s doch bitte besser! Selbstjustiz und eigene Definitionen von Gut und Böse bestimmen das Leitbild von Frank und Roxxy, seiner Zeitweiligen Gefährtin. Einiges, wie die Kino-Szene, wirkt auch relativ zusammengeworfen, um zu sagen: Schaut, reden während eines Filmes ist Scheiße! Generell ist der läuft auch alles zu glatt und einfach, was der Film damit zu erklären versucht, dass jeder Mord wohl von den jeweilig hochstilisierten Gegnern der Parteien verübt wurden.
Stilistisch macht God Bless America ziemlich viel richtig. Schöne Bilder und Kameraführung und – von den Phantasiesequenzen mal abgesehen – unaufdringliche Effekte, die dem Ganzen Glaubwürdigkeit verleihen. Schauspielerisch ist vor allem Joel Murray hervorzuheben, man nimmt ihn seine Verdrossenheit, seinen Hass, aber auch seine eigentliche Hilflosigkeit und die daraus resultierende Entschlossenheit während des ganzen Filmes ab.

Meinung:
Was bleibt ist eine Mischung als Falling Down und Bonnie & Clyde. Mit der Popkultur abrechnen, dass tut der Film schon, nimmt sich und seine eigene Aussage dabei allerdings viel zu ernst. Jeder, dem dieser Film gefallen könnte, ist das, was der Film und Frank am Ende sagt, wohl schon vorher klar gewesen und jeden anderen wird er damit nicht überzeugen. Trotzdem, ein Blick ist er wert, vor allem, wenn man sich darauf einlässt, sich gedanklich damit noch etwas auseinanderzusetzen und nicht alles einfach so hinnimmt. Weder, was das Fernsehen allgemein, noch was God Bless America einem vorgibt. Ein spaßiger Amoklauf gegen Fanatismus, Dummheit und den sogenannten „Mainstream“.

4. Juli 2012

IV - Zeit und Spektrum


Ruhe, Ruhe, Ruhe … und zwar ‘ne Weile. Naja, bald geht’s von meiner Seite aus weiter. Wenig Zeit in letzter Zeit gehabt (Prüfungsstress und so weiter), aber das interessiert denk ich mal niemanden.
Kino Kontrovers - Tyrannosaur
Viel wichtiger ist: Ich habe mich entscheiden, mein Filmspektrum etwas zu erweitern. Die Anfangs ausgesuchte Liste ist zwar soweit recht toll, aber trotzdem fehlt mir auf Dauer irgendwie Abwechslung und ich wollte mich dann doch nicht nur auf die Hand voll Filme darauf beschränken, vor allem, weil sich einige nicht auftreiben lassen, was das Angucken dann doch etwas erschwert.
So, es gibt natürlich noch weitere Serien von interessanten Filmen, an denen ich mich auch orientieren werde, Kino Kontrovers zum Beispiel oder Stör-Kanal. Einige Filme überschneiden sich mit meiner alten Liste und andere Filme, die ich für recht interessant hielt, sind dort drauf.
Ich hoffe nun, dass ich wieder regelmäßiger zum Gucken und Schreiben komme!

14. Mai 2012

Idioten




Jahr: 1998

Genre: Dogma 95, Drama, Komödie

Regie: Lars von Trier

Schauspieler: Jens Albinus, Nikolaj Lie Kaas








Plot:
Eine Wohngemeinschaft unterschiedlichster Menschen hat es sich zur Aufgabe gemacht, den jeweilige „Inneren Idioten“ zu entdecken und erforschen. Dazu gehen sie in der Gruppe an öffentliche Orte und „machen auf Gaga“, sprich sie spielen alle eine geistige Behinderung vor. So auch in einem Restaurant, wo sich Stoffer, als sie zum Gehen aufgefordert wurden, an Karen festhält und diese gutmütig mitgeht um im Auto kurz darauf hinter die Scharade zu kommen. Da sie offensichtlich familiäre Probleme hat, beschließt sich in der Kommune zu bleiben. So gehen sie einmal in ein Schwimmbad, ein anderes Mal besuchen sie eine Fabrik, während immer zwei der Gruppe die Aufsichtspersonen mimen. Doch Stoffer, der Initiator der ganzen Aktion, wird immer unzufriedener mit den Darstellungen.

Über den Film:
Idioten ist der zweite Film der nach den Regeln des Dogma 95 gedreht wurde. Deswegen werde ich ihn, wie zuvor Vinterbergs „Das Fest“ erst einmal im Rahmen dieser betrachten.
Die Schauplätze, wie in Regel 1 gefordert, sind entweder das Haus, in dem sich die Gemeinschaft aufhält, oder Diverse öffentliche Plätze wie ein Schwimmbad oder ein Restaurant. Regel 2 fordert keine später eingespielte Musik. Musik kommt vor, aber es ist nicht klar, woher diese kommt. Die Aufnahme erfolgt über Handkameras, wie man deutlich sieht, als einmal ein Kameramensch ins Bild tritt und schnell wieder zu verschwinden versucht. Dies passiert ebenfalls des Öfteren mit dem Mikrophon, das von oben ins Bild schaut. Das ist meiner Meinung, trotz des Korsetts des Dogma 95, eine recht schlampige Arbeit und zerstört die Illusion, die genau mit diesem Konzept geschaffen werden sollte. Effekte und unrealistische Gewalt fehlen (Regel 5 und 6) und auch der Zeitpunkt ist das „Hier und Jetzt“ (Regel 7). Von Trier hat sich somit wohl größtenteils an seine eigenen Regeln gehalten.
Die Story des Films selbst ist allerdings nicht relativ einfallsreich oder gar gut. Eine Kommune, die sich zusammengeschlossen hat, in guter Hippiemanier in einem (mehr oder minder) besetzen Haus, das nach ihren Regeln lebt und sich abschottet. So weit so unkreativ. Die Idee des „Inneren Idioten“ ist an sich recht nett, aber im Film selbst kommt mehr der Eindruck auf, als ob es den Protagonisten weniger um die Selbstfindung als mehr um eine Verballhornung der Umwelt. Dass die Meisten gegen Ende das Spiel mehr als eine Flucht vor der Realität sehen, was dem geistigen Chef natürlich nicht gefällt, versteht sich da fast von selbst.

Meinung:
Idioten ist ein erstaunlich belangloser Film von Lars von Trier. Das mag an Dogma 95 liegen, allerdings würde das dann den Zweck dieses Konzeptes komplett widerlegen. Was nützt mir ein Film, der nach großartigen Regeln gedreht wurde, um die ursprüngliche Kunst des Mediums zurückzuholen, wenn der Film selbst nicht wirkt? Die Umsetzung der Regeln selbst ist gut zu erkennen, aber der Plot und die schlampige Dreharbeit stören das Gesamtbild des Werkes leider erheblich. Auch, oder eher gerade, die expliziten, pornographischen Szenen machen das nicht besser. Von von Trier hätte ich deutlich mehr erwartet.

6. Mai 2012

Das Fest




Jahr: 1998

Genre: Dogma 95, Drama

Regie: Thomas Vinterberg

Schauspieler: Ulrich Thomsen, Thomas Bo Larsen, Paprika Steen







Plot:
Anlässlich des sechzigsten Geburtstags von Helge Klingenfeldt-Hansen, einem reichen Hotelier, trifft sich dessen Familie im eigenen Luxushotel zur Feier. Der älteste Sohn ist Christian, Besitzer zweier Restaurants in Prais, dessen Zwillingsschwester vor nicht allzu langer Zeit Selbstmord begangen hat. Die mittlere Tochter ist Helene, Studentin und vom Lebensstil und der Einstellung her ziemliches Gegenteil zum Rest der Familie. Michael, der jüngste Sohn und selbst Vater von drei Kindern, ist aufbrausend und sehr dominant.
Die Feier verläuft nach strickten Mustern und Traditionen. Sektempfang und Geburtstagsgesänge gefolgt von verschiedensten Gängen dekadentem Essens, immer wieder unterbrochen von Zigarettenpausen und Ansprachen der Gäste. Alles ist durchorganisiert und vom hauseigenen Personal professionell ausgeführt. Doch als Christian in seiner Ansprache Missbrauchsvorwürfe seinem Vater gegenüber einfließen lässt, beginnt das Szenario langsam zu kippen.

Über den Film:
Das Fest ist ein Film, der nach den Regeln der Dogma 95 gedreht wurde und dementsprechend besitzt er seinen eigenen Stil. Im Folgenden soll ein wenig auf einzelne Punkte dieser Regeln eingegangen werden:
Vinterbergs Film spielt in einem großen Herrenhaus / Hotel und man bemerkt, dass es sich bei den Räumen um keine Kulissen handelt (Regel 1), da die Räume des Öfteren aus verschiedenen Winkeln zu sehen sind. Der Filmstil ist gekennzeichnet von seiner amateurhaft wirkenden Art. Das Bild wackelt etwas und ist generell etwas Matt, da für die Dreharbeiten laut Regel 3 nur Handkameras eingesetzt werden dürfen. Das Gezeigte ist realistisch, es gibt keine zeitliche Verfremdung (Regel 7) und auf Effekte und Gewalt wurde verzichtet (Regel 6 und 5).
Soweit das zu beurteilen ist hält sich der erste Film, der nach Dogma 95 gedreht wurde, an seine sich selbst auferlegten Regeln und schafft somit einen eigenen Stil, der sich wie gewollt von der Verfremdung des durchgestylten Kinos abhebt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Geschichte und vor allem der Schauspielerei. Erstere ist an sich nichts Besonderes, wird durch die Art des Films aber teilweise bedingt und fügt sich gut ins Gesamtbild ein. Das Schauspiel der Darsteller, von denen viele Laien sind oder gar einfache Statisten, die selbst nicht in den Verlauf der Geschichte eingeweiht wurden, treibt den Film gut voran und verleiht ihm einen gewissen theatralischen Realismus.

Meinung:
Mein erster Dogma 95 Film ist auch der Erste, der je nach diesen Regeln gedreht wurde. Vinterberg hält sich, soweit ich das beurteilen kann, auch an Diese. Das Ergebnis ist ein interessanter Film, der, verglichen mit anderen Filmen in vielen Belangen natürlich nicht mithalten kann, was allerdings von den Machern beabsichtigt war. Effekte und Feuerwerk treten in den Hintergrund und das für Vinterberg, van Trier und Co. am Film eigentlich Wichtige rückt ins Licht: Schauspielerei und Story. Das klappt auf seine Weise ganz gut und vermittelt den Eindruck, eher ein Theaterstück zu sehen als einen Film.

25. April 2012

III - Dogma 95



Thomas Vinterberg
Oder auch der „Schwur der Keuschheit“. 1995 Stellten einige Regisseure um Thomas Vinterberg und Lars von Trier einige Regeln auf, die den Film zu ihrer ursprünglichen Kunst zurückführen sollten. Entstanden sind einige, die auch auf meiner Liste von Filmen stehen. Zum Vergleich und zum Überblick wäre es sinnvoll, diese hintereinander zu sehen und ebenfalls sinnvoll ist es sicherlich, sich vorher einen kleinen Überblick zu verschaffen, was genau man denn jetzt sieht und um was es sich bei Dogma 95 eigentlich wirklich handelt.

Nun, die Essenz sind zehn Regeln, die oft im Internet zitiert werden. Der Einfachheit halber bediene ich mich hier mal der deutschen Wikipedia, man möge es mir verzeihen:

1.       Als Drehorte kommen ausschließlich Originalschauplätze in Frage, Requisiten dürfen nicht herbeigeschafft werden.
2.       Musik kann im Film vorkommen (zum Beispiel als Spiel einer Band), darf aber nicht nachträglich eingespielt werden.
3.       Zur Aufnahme dürfen ausschließlich Handkameras verwendet werden.
4.       Die Aufnahme erfolgt in Farbe, künstliche Beleuchtung ist nicht akzeptabel.
5.       Spezialeffekte und Filter sind verboten.
6.       Der Film darf keine Waffengewalt oder Morde zeigen.
7.       Zeitliche oder lokale Verfremdung ist verboten – d. h. der Film spielt hier und jetzt (also nicht etwa im Mittelalter oder in einer entfernten Zukunft oder in einem anderen als dem Produktionsland, auf einem fremden Planeten, in einer fremden Dimension o. Ä.).
8.       Es darf sich um keinen Genrefilm handeln.
9.       Das Filmformat muss Academy 35 mm sein.
10.   Der Regisseur darf weder im Vor- noch im Abspann erwähnt werden.


Lars von Trier
Interessante Regeln, die allem anscheinen nach interessante Filme versprechen. Ich selbst habe mit Dogma 95 noch keinerlei Erfahrung, weswegen ich mich mit den nächsten Filmen ins kalte Wasser begeben werde. Allerdings noch zu erwähnen sei, dass sich die Regisseure mit der Zeit immer weiter vom eigens entworfenen Konzept entfernten und trotzdem Filme noch – mehr oder weniger – unter der Flagge der Keuschheit drehten … aber wohl nicht ganz so unbefleckt wie 1995 gepredigt.



23. April 2012

Oldboy




Jahr: 2003

Genre: Thriller

Regie: Park Chan-wook

Schauspieler: Choi Min-sik









Plot:
Fünfzehn Jahre in einem Zimmer eingesperrt. So ergeht es Oh Dae-su, einem kleinen Mann und Familienvater. Ohne einen Grund zu kennen oder sich einen Reim auf seine derzeitige Situation machen zu können fristet er sein Dasein, mit einem Fernseher als einzigen Freund. Dort sieht er auch, dass seine Frau umgebracht wurde und dank DNA-Spuren, die am Tatort hinterlassen wurden, er als Täter gesucht wird. Langsam beginnt er zu verzweifeln und nach mehreren fehlgeschlagenen Suizidversuchen fängt er an, zu trainieren. So vergeht Jahr um Jahr, bis er, nach den schon erwähnten Fünfzehn Jahren, so plötzlich wie er gefangen wurde, wieder freikommt. Er hat nur eins im Sinn: herauszufinden, wer ihn festgehalten hat und blutige Rache nehmen. Doch mit der Zeit drängt sich eine viel wichtigere Frage als das „wer?“ in den Vordergrund … die Frage nach dem „warum?“!

Über den Film:
Der ungewöhnliche Plotanfang von Olboy alleine macht den Film auf eine gewisse Art schon interessant. Die Frage nach dem Wer und vor allem dem Warum zieht sich durch den ganzen Film wie die Blutspur, die Oh Dea-su auf seiner Suche nach Antworten hinterlässt. Dabei finde ich die Leistung von Choi Min-sik, dem Hauptdarsteller erwähnenswert, man nimmt ihm die Rolle des psychisch labilen Rächers und seine Wandlung dorthin über den ganzen Streifen hinweg ab. Park Chan-wook inszeniert die Dae-sus Jagd auf eine ungewöhnliche und fesselnde Weise, in einigen Szenen wie die des Kampfes durch einen Hausflur, kommt dies deutlich heraus, was viel Abwechslung hineinbringt. Filmische Abwechslung tut Oldboy auch ganz gut, ist die Story, wie bei vielen ostasiatischen Filmen, leider sehr konstruiert und etwas künstlich, was zwar ganz gut zum Plot passt, aber ab und an ein wenig negativ auffällt.
Der Film steht in loser Verbindung zu Sympathy for Mr. Vengeance und Lady Vengeance, die zusammen mit Oldboy Park Chan-wooks Rache-Triologie formen.

Meinung:
Oldboy ist Kult. Und das nicht unbedingt zu unrecht. Der ungewöhnliche Aufzieher, die leicht avantgardistischen Stilmittel und nicht zuletzt ein großartiger Choi Min-sik machen aus dem Film ein ganz spezielles Erlebnis. Das Thema Rache, das sich wohl durch viele Filme dieser Region zieht, ist hier zum einen originell und zum andern auch sehr konstruiert umgesetzt. Von Chan-wooks Triologie nimmt er als zweiter Film Platz eins ein. Ein Racheepos mit Kultstatus.

12. April 2012

Elephant




Jahr: 2003

Genre: Drama

Regie: Gus Van Sant

Schauspieler: Alex Frost, John Robinson








Plot:
Ein normaler Tag an einer nicht näher benannten Schule in Portland. John wird von seinem betrunkenen Vater zur Schule gefahren und er muss sich darum kümmern, dass dieser von seinem Bruder abgeholt wird und kommt deswegen zu spät in den Unterricht, was ihm Nachsitzen einbringt. Elias ist Hobbyfotograph mit einer Vorliebe für Portraits. Er läuft über das Gelände auf der Suche nach neuen Motiven und entwickelt diese dann direkt in der schuleigenen Dunkelkammer. Der Sportler Nathan, der vielen Mädchen gefällt, hat nur Augen für seine Freundin Carrie, die sich wiederrum Sorgen um ihre gemeinsame Nacht vor 3 Wochen macht. Eine Gruppe von Schülern diskutiert im Unterricht über das für und wider von Homosexualität und ob man diese den Menschen direkt ansehen würde. Die Mädchengang, bestehend aus Jordan, Brittany und Nicole, allesamt bulimisch, machen sich neben ihrer Figur noch Sorgen um Jungs und ihre Freundschaft. Michelle, ein hässliches Entlein, versucht mit dem Spott ihrer Schulkameraden zurechtzukommen und arbeitet nebenbei in der Bibliothek. Alex und Eric kommen in Militärklamotten und vollgepackten Taschen in die Schule und auf Johns Frage, was sie denn vorhätten, antworten sie nur:

„Verpiss dich man und komm nich‘ wieder, is‘ gleich die Hölle los!“

Über den Film:
Das interessante und gleichzeitig auch irgendwie langweilige an Elephant ist, wie der Film aufgezogen ist. Lange Szenen, in denen die Kamera den verschiedenen Schülern in der typischen „Third-Person“ Sicht durch die Schule folgt. Oftmals minutenlang. Des Weiteren laufen die Handlungsstränge meist noch parallel ab, was vor allem an bestimmten Situationen und Dialogen zu bemerken ist, die immer wieder aus den verschiedenen Schülerperspektiven zu sehen ist. Die Ausnahme davon macht der Anfang des quasi zweiten Teil des Filmes, in denen Eric und Alex zuhause zu sehen sind, und wie sie sich auf ihren Plan vorbereiten: Einen Amoklauf. Und dort liegt auch eine zweite Schwachstelle des Films. Das Thema, das das Massaker an der Columbine High School 1999 aufgreift, wird in mehreren Weisen seltsam wiedergegeben. Zum einen Stellt der Film einfach nur dar, er bewertet nicht, was an sich noch in Ordnung ist. Allerdings stellt er die Täter auch allzu klischeehaft dar. Sie, oder zumindest Alex, ist intelligent, spielt zum Beispiel Beethoven auf dem Klavier, und wird in der Schule gemobbt. Beide spielen Ego-Shooter, gucken Nazi-Dokumentationen und bestellen sich problemlos gefährliche Waffen über das Internet. Das baut ein gewisses Bild eines Amokläufers auf, von dem ich hoffte, dass es längst obsolet ist. Zum anderen ist auch die Reaktion der Schüler auf den Amoklauf selbst nicht unbedingt immer nachvollziehbar, unbeeindruckt und wie in Trance bewegen sie sich durchs Gebäude, während andere erschossen werden. Das könnte eine gewisse, für mich nicht wirklich realistische Lähmung der Schüler sein, oder aber auch einfach an den Laienschauspielern liegen, die im Prinzip alle sich selbst spielen.

Meinung:
Der Schulalltag ist in Elephant sehr interessant dargestellt, etwas langweilig und eintönig, was zu dem Thema soweit aber ganz gut passt. Auch die an sich nur zeigende und nicht bewertende Art des Filmes gefällt mir soweit recht gut, nur leider wird, wie schon geschrieben, ein viel zu klischeehaftes und überholtes Bild des jugendlichen Amokläufers aufgebaut, da hätte ein wenig mehr Differenzierung nicht geschadet. Insgesamt bleibt ein interessanter Film mit einigen Schwächen über eine Materie, an die sich noch nicht sehr viele gewagt haben.

8. April 2012

No Country for old Men




Jahr: 2007

Genre: Thriller

Regie: Joel & Ethan Coen

Schauspieler: Tommy Lee Jones, Javier Bardem, Josh Brolin








Plot:
Texas, 1980: der Vietnamveteran Llewelyn Moss stößt bei einer Jagdausflug auf den Schauplatz eines gescheiterten Drogendeals. Die Drogen befinden sich noch vor Ort und er vermutet, dass auch das Geld, mit dem diese bezahlt werden sollten, nicht weit sein kann. Nach einer Weile entdeckt er unter einem Baum eine weitere Leiche und das Geld in einem Koffer. Als er nachts nochmal zum Ort des Geschehens zurückkehrt wird er von Mexikanern überrascht und er muss fliehen und gleichzeitig seine Frau in Sicherheit bringen.
Anton Chigurh, ein gefühlloser und kaltherziger Killer, sucht genau diesen Koffer. Dank eines Peilsenders, der sich in ihm befindet, folgt er Moss und hinterlässt eine Spur von Leichen auf seinem Weg, das Geld wiederzubeschaffen.
Ed Bell ist der alte Sheriff in der Region, wie schon sein Vater und dessen Vater vor ihm. Er denkt wehmütig an alte Zeiten zurück, in denen man selbst als Gesetzeshüter nicht mit bewaffnet sein musste und kommt mit der Gewalt heutzutage nicht mehr zurecht. Vor allem mit der Gewalt, die durch Moss und vor allem Chigurh, noch auf ihn zukommen wird.

Über den Film:
No Country for old Men ist was Besonderes, in vielen Belangen. Zum ersten fällt direkt auf, dass der Film komplett ohne Sounduntermalung läuft. Die typischen Samples, um in Thrillern die Spannung aufzubauen fehlen, keine Musik unterstreicht dramaturgische Höhepunkte. Das alleine entfaltet schon eine eigene Atmosphäre, wie man sie von anderen Filmen nicht gewohnt ist. Dazu kommt noch, dass die Story eher gemütlich vor sich her plätschert, großartige Schnelle oder Aktion fehlen fast immer. Man mag jetzt meinen, dass das Ganze doch relativ langweilig ist, aber die Spannung, die No Country for Old Men abseits der gewohnten Pfade aufbaut ist grandios und lässt von Langeweile nichts spüren. Dazu kommen noch großartige, gewaltige Bilder der tristen, texanischen Steppe, dessen gefährlich anmutende Einöde perfekt zum Gefühl des Filmes passt. Neben der tollen Technik der Coen-Brüder fällt auch die schauspielerische Leistung der Akteure, vor allem von Javier Bardem als psychopathischer Auftragskiller Chigurh, auf. Ein eher offenes, aber sehr philosophisches Ende durch die Monologe von Tommy Lee Jones Charakter, der resignierte Sheriff Ed Bell, runden das Gesamterlebnis herrlich ab.

Meinung:
No Country for old Men ist ein toller Neowestern. Interessanterweise mit einem Hollywoodhintergrund und relativ neu, bricht der Film aber mit einigen Konventionen des aktuellen Kino, macht das aber konsequent richtig, dass ein tolles Filmerlebnis dabei herauskommt. Spannung und Atmosphäre durch Handlung und nichts anderes.Geldgier wird zum Motor einer jeden Tragödie, ob sich nun Männer um einen Millionenbetrag oder Jungs um eine kleine Belohnung streiten. Texas ist eben kein Land zum alt werden!

7. April 2012

Ichi the Killer




Jahr: 2001

Genre: Horrorthriller

Regie: Takashi Miike

Schauspieler: Nao Omori, Tadanobu Asano









Plot:
Ichi, ein verstörter und labiler junger Mann wurde in seiner Jugend geschlagen, gedemütigt und musste mit ansehen, wie ein Mädchen, das ihm helfen wollte, deswegen missbraucht wurde. Das jedenfalls erzählt ihm Jijii, der die Wut, die Ichi deswegen immer wieder aufbaut, nutzt und sie gegen andere Menschen, vor allem Yakuzas, lenkt, da er denkt, das wären die, die ihn damals verschlugen. So tötet er auch den Yakuza und Boss von Kakihara. Dieser ist sehr masochistisch veranlagt und ist zum einen fasziniert von dem seiner Meinung nach kaltherzigen Killer Ichi und zum anderen will er ihn tot sehen, da er seinen Boss tötete. So begeben sich beide Männer auf die Jagd aufeinander, der Eine getrieben von seinem Hass und seiner Faszination, der Andere gelenkt durch Suggestionen und bewusste Fehlinformationen.

Über den Film:
Ichi the Killer ist ein brutaler Film, sogar für japanische Verhältnisse. Explizite Gewaltdarstellung in Form von grausamen Hinrichtungen oder Massenmorden, extreme Folter und auch Vergewaltigungen werden im Film gezeigt. Letzteres zum Glück nicht ganz so explizit. Das meiste wirkt allerdings derart Überzeichnet, dass man sich als Freund ostasiatischer Splatterfilmen damit anfreunden kann. Genauso überzeichnet sind die beiden Hauptcharaktere, Kakihara und Ichi selbst. Das passt an sich auch ganz gut, stammt die Vorlage von einem mehr oder weniger bekannten Manga. Filmerisch merkt man dies auch ein wenig, oftmals starre Kameraeinstellungen und besonders inszenierte  Bilder erinnern leicht an einen Comic. Allerdings war's das dann auch, der Film lässt sich leicht darauf reduzieren. Die Story ist bis auf die eigentliche Idee eher Standard, jedenfalls so viel wie Ichi the Killer davon erzählt. Was genau hinter allem steckt und vor allem wer dieser Jijii ist und warum er tut, was er tut, bleibt im Dunkeln. Ob er nun einfach mit dem „Bösen“ abrechnen will oder ob er zwischenzeitlich andere, eigennützlichere Pläne verfolgt … Stilistisch ist der Film typisches japanisches Kino und Omori und vor allem Asano als verrücktes Narbengesicht machen ihre Sachen soweit gut.

Meinung:
Übertreibung und Überzeichnung, das kann Ichi the Killer sehr gut. Ob man davon gut unterhalten wird, muss dann doch jeder für sich entscheiden. Wenn man direkte Gewalt- und Folterdarstellung mag – zugegebenermaßen eine etwas seltsame Formulierung – dann sollte man dem Film eine Chance geben, ich für meinen Teil musste mir das ein oder andere Mal das wegschauen verkneifen. Sonst hat Ichi the Killer leider nicht mehr so viel zu bieten, die Gewalt bleibt Selbstzweck. Brutales Japanokino, nicht mehr und nicht weniger.

3. April 2012

Lilja 4-ever




Jahr: 2002

Genre: Drama

Regie: Lukas Moodysson

Schauspieler: Oksana Akinshina, Artyom Bogucharsky









Plot:
Die sechzehnjährige Lilja ist niedergeschlagen. Eigentlich sollte sie mit ihrer Mutter und deren neuen Freund aus der trostlosen Plattenbausiedlung in der ehemaligen Sowjetunion nach Amerika umziehen. Doch dann wird ihr eröffnet, dass die beiden alleine fahren und sie sich in die Obhut ihrer Tante geben soll. Doch diese ist mehr an ihrem eigenen Wohl interessiert, wirft Lilja aus ihrer alten Wohnung und zieht dort kurzerhand selbst ein. In ihrer neuen, sehr gammligen Wohnung will sich Lilja nicht wirklich wohl fühlen. Auch die Gesellschaft des elfjährigen Wolodja, der viel Ärger zuhause hat, hilft ihr nur bedingt über die Probleme hinweg, die sich auftuen. Allen voran fehlt ihr das Geld zum Leben. Durch eine Freundin, die sich in einer Disco an Männer verkauft wird ihr ein neuer Weg aufgezeigt. Da Lilja keinen anderen Ausweg sieht, dank mangelnder Schulausbildung und genereller Jobflaute, lässt sie sich darauf ein. Bei ihren nächtlichen Unternehmungen lernt sie Andrej kennen, ein netter, junger Mann, der offensichtlich mehr von ihr will als nur Sex für Geld. Nach einigen Treffen verspricht er ihr eine tolle Zukunft mit Wohnung und Arbeit in seiner eigentlichen Heimat, Schweden ….

Über den Film:
Lukas Moodyssons Drama über das Elend in ehemals sowjetischen Arbeitergegenden, jetzt Ghettos, stellt kompromisslos das Notleiden der Menschen und vor allem der Jugend dar. Während die Eltern arbeiten können, aber aufgrund ihrer Lebenssituation ihre Kinder mehr als sträflich vernachlässigen, werden diese in Hoffnungslosigkeit zurückgelassen. Der soziale Abstieg, von so tief er auch anfangen möchte, ist immer noch möglich und scheint nicht wirklich aufhaltbar zu sein, außer mit radikalen Methoden. So versteht man die Entscheidungen, die die Protagonistin trifft sehr gut, auch wenn immer der Beigeschmack des Falschen miteinhergeht. Man sieht, wie widerstrebend Lilja ihre „Aufgabe“ wahrnimmt, aber welchen sozialen Vorteil ihr die Vergütung am Ende bringt. Das sie jetzt nicht mehr auf Getränke und Strom verzichten muss zum Beispiel oder dass sie ihrem besten Freund ein tolles Geschenk machen kann. Darstellerische Mittel, wie das Filmen aus der Sicht der Protagonistin lassen aber die Qual des Aktes vermuten, der sie sich immer wieder aussetzt und wie viel schlimmer es dann auch wird, wenn das Ganze überhaupt nicht mehr freiwillig geschieht, wenn davon überhaupt je die Rede sein kann. Oksana Akinshina spielt ihre Rolle sehr überzeugend und mit einer etwas wackligen Kamera hat der Film auch ein wenig Dokumentationscharakter, was der Thematik gut tut und dem Film noch mehr Realismus einhaucht.

Meinung:
Lilja 4-ever geht unter die Haut. Fast kompromisslos wird die Sechzehnjährige auf ihren Weg gezwungen, aber ihre Schritte und ihr Handeln bleiben immer nachvollziehbar. Was wie eine trostlose Tragödie beginnt endet in einem hilflosen Horrorszenario, in das man sich dank schon angesprochener Stilmittel direkt hineinversetzen kann. Der Realismus und die Tatsache, dass der Film auf einer wahren Geschichte basiert, dürfte dem Film eine Note verleihen, die einen nicht kalt lassen sollte. Ein ruhiges und gemächliches Drama, dessen Thematik stark unter die Haut geht.

25. März 2012

Mulholland Drive




Jahr: 2001

Genre: Mystery-Thriller

Regie: David Lynch

Schauspieler: Naomi Watts, Laura Harring, Justin Theroux








Plot:
Betty kommt voller Hoffnung in Los Angeles an. Ihre Tante, eine erfolgreiche Schauspielerin, die zurzeit in Kanada arbeitet, hat Betty ihre Wohnung zur Verfügung gestellt. Dieses nimmt Betty als Anlaufpunkt, um in LA ihre eigene Karriere als Schauspielerin zu starten. Von der Wohnungsverwalterin reingelassen findet Betty eine recht wortkarge Frau vor, die sich als Rita vorstellt. Nach einem kurzen Gespräch mit ihrer Tante Ruth klärt sich der Irrtum Bettys auf, die Rita für eine Freundin ihrer Tante gehalten hatte. Die unbekannte Frau erklärt, sich an nichts mehr erinnern zu können, nicht mal ihren Namen und wie der Haufen Geld in ihrer Handtasche dort hingekommen ist, nur an den Namen "Mulholland Drive". Der Straßennamen und eine Kopfverletzung Ritas bringt Betty auf die Idee, sie könnte in einen Autounfall verwickelt worden sein und die beiden Frauen machen sich daran, Ritas wahre Identität herauszufinden. Nebenbei arbeitet Betty auch noch recht erfolgreich an ihrer Karriere. 
Adam Kesher ist Regisseur und arbeitet gerade an einem neuen Film. In einem Treffen mit offensichtlich zwei wichtiger Männer der Branche erläutern diese Adam, welche Hauptdarstellerin er für seinen Film besetzen müsse. Dieser will sich allerdings nichts vorschreiben lassen und stürmt zornig aus dem Raum. Nur um bei ihm zuhause seine Frau zusammen mit dem Poolreiniger im Bett vorzufinden. Der Regisseur zieht sich in ein schäbiges Hotel zurück um dort von seiner Assistentin zu erfahren, dass er pleite sei, was seiner Meinung aber nicht möglich ist. Sie erzählt ihm auch, dass ein gewisser "Cowboy" sich mit ihm Treffen will. Dieser erklärt ihm, er solle sich beim baldigen Vorsprechen für die Hauptrolle seines Filmes positiv zu Camilla Rhodes äußern soll, der Frau, die ihm beim vergangenen Treffen schon vorgeschlagen wurde. "Diese ist die Richtige!"

Über den Film:
So wie sich der Film in meiner - zugegebenermaßen ziemlich oberflächlicher Zusammenfassung darstellt - ist er erst mal nicht. Allerdings fällt es recht schwer, überhaupt über den Film eine kurze Zusammenfassung zu schreiben, denn entweder bleibt man nicht kurz oder bleibt eben oberflächlich.
Mulholland Drive ist, ganz lynchtypisch, kein einfacher Film und somit nichts für Zwischendurch. Der Filmfan muss sich im Klaren sein, was er gerade sieht und vor allem, was er im Kontext neuer Erkenntnisse gesehen hat. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt scheint der Film eine Art seichtes Drama zu sein, eine Darstellung des Lebens dreier Menschen. Nur manche Szenen, die zwischendurch zu sehen sind, scheinen nicht unbedingt einzuordnen zu sein. Da ist zum Beispiel die mafiaartige Vereinigung, die unbedingt verhindern will, dass Adam seine eigene Entscheidung über die Hauptrollenbesetzung trifft und ihm vorschreiben will, wen genau er jetzt wählen soll. Oder ein Psychologengespräch zweier Männer und ein Raubmord, die sich bis kurz vorm Ende nicht wirklich einordnen lassen.
Man könnte jetzt mit langen und weiten Ausschweifungen sehr weit ins Detail gehen, was in gewisser Weise auch ganz interessant sein könnte, aber das führt an dieser Stelle zu weit, vor allem, weil sich wohl keine wirklich hundertprozentige Interpretation finden wird. Handelt es sich hierbei nun um eine surreale Version von Los Angeles und der Filmindustrie, dargestellt als ein großes, unverständliches, fast kafkaeskes Individuum, oder um den Traum einer gescheiterten Künstlerin, die sich ihren Fehlschlag schön redet?

Meinung:
Mulholland Drive kann jedem Filmfan nahegelegt werden, der sich gerne lange Gedanken über einen Film macht, den man nicht direkt auf Anhieb - wenn überhaupt - versteht. Es ist eine alptraumhafte Darstellung des amerikanischen Traumes und der, oberflächlich gesehen, Traumfabrik Hollywood, als die sich die Industrie dort sehr gerne darstellt. Ein paar Glückliche haben Erfolg und der Rest bleibt auf der Strecke und muss zusehen, wie er damit klar kommt. Die lynchtypische Filmästhetik tut ihr übriges. Das hässliche Gesicht Hollywoods wartet hinter jeder Hofecke.

9. März 2012

Der Tintenfisch und der Wal




Jahr: 2005

Genre: Tragikomödie

Regie: Noah Baumbach

Schauspieler: Jeff Daniels, Laura Linney, Jesse Eisenberg, Anna Paquin








Plot:
Familie Berkman aus Brooklyn, New York 1986: Auf den ersten Blick eine normale, glückliche Familie. Vater Bernard ist ein erfolgreicher Schriftsteller und seine Frau Joan schafft gerade mit ihrer Schreiberkarriere den entscheidenden Schritt. Der 16 jährige Sohn Walt entdeckt seine Leidenschaft für das künstlerische, vor allem die Gitarre und interessiert sich nebenbei für Literatur. Frank, 12, findet Gefallen am Tennisspiel mit seinem Trainer Ivan und den Spielen mit der gesamten Familie. Doch das Glück ist trügerisch, nach kurzer Zeit offenbaren die Eltern ihren Kindern, dass sie sich scheiden lassen. Überrumpelt von dieser Mitteilung versuchen die Söhne ihren auch nicht ganz rund laufenden Alltag zu bewältigen. Walt, der sehr von seinem dominanten und starken Vater beeinflusst wird, gibt vor, all die Literatur zu kennen, die dieser als gut und lesenswert erachtet und jongliert amateurhaft mit einzelnen Fachbegriffen über diese Bücher, ohne sie überhaupt selbst gelesen zu haben. Frank wiederrum, an der Schwelle zur Pubertät, wird zunehmend aggressiver, weiß nicht, mit seinem aufkeimenden Sexualtrieb umzugehen und fängt an, heimlich Alkohol zu trinken. Joan und Bernard teilen sich das Sorgerecht, das die Kinder unter der Woche regelmäßig zu beiden hin und herschickt. Während Joan gefangen zwischen der alten Ehe und neuer Liebe, dem Tennislehrer Ivan, sieht Bernard ihren Erfolg und seinen zunehmenden Misserfolg als Autor als Grund für die Trennung und wirft ihr das vor.

Über den Film:
Der Tintenfisch und der Wal zeigt alltägliche Probleme einer Scheidung für alle Beteiligten zu einer Zeit, in der eine Trennung noch nicht so normal war wie jetzt. Mit viel Gefühl ist zu sehen, wie die jeweiligen Personen weiterzuleben, aber die Tatsache sich doch immer wieder in ihr Leben schleicht. Beispielsweise wie die Brüder sich, genau wie die Eltern, immer weiter voneinander entfernen. Walt, der nach kurzer Zeit nur noch bei seinem Vorbild, seinem Vater leben möchte und versucht, ihn zu beeindrucken und Frank, der zwar immer mehr die teils cholerische Art seines Vaters annimmt, mit ihm selbst aber immer weniger zurechtkommt. So lernt Walt Pink Floyds „Hey You“ zu spielen und zu singen und gibt es als seine eigene Komposition aus. Auch in Sachen Frauen ist er hin und hergerissen. Während sein Vater meint, mit seiner ersten Freundin könne er ja mal ein paar Sachen ausprobieren, wäre ja eh nichts festes, ist Walt selbst noch nicht wirklich bereit, diesen Schritt zu machen. Frank, der heimlich trinkt und anfängt, seinen Tennislehrer zu beleidigen, wenn er verliert, entwickelt sich zunehmend von seinem Vater weg, ist aber auch über das Verhalten der Mutter, die offen mit ihrer Sexualität umgeht, sehr verwirrt. Gerade der Alkohol ist ein großer Kritikpunkt, den ich zu dem Film habe, man sieht Frank trinken, erst Bier, später Whiskey, aber wirklich weiter darauf eingegangen wird nicht. Das wäre, wie ich finde, aber definitiv nötig. Generell geht der Film zwar auf sehr vieles ein, aber die letzten Schritte fehlen manchmal. Als sich Bernard der Studentin Lili, die kurzzeitig bei ihm wohnt, nähert, auch gegen ihren Willen zum Beispiel. Zwar passiert nicht wirklich was, aber die Szene selbst hätte noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient. Sie stellt zwar die Dominanz, die der Vater generell auszustrahlen versucht, gut dar, aber sie dann einfach nur fast kommentarlos ausziehen zu lassen ist etwas wenig.
Technisch und schauspielerisch gibt es an Der Tintenfisch und der Wal nichts auszusetzen, mir gefällt vor allem der Versuch, den Film wie einen typischen aus den Achtzigern aussehen zu lassen.

Meinung:
Der Tintenfisch und der Wal ist ein trauriger Blick auf die Realität einer zerrütteten Ehe. Abgesehen von einigen Schwächen zeigt er mit einer passenden, melancholischen Note, die Situation, in der jeder der Familie, aber auch Freunde derer geworfen werden. Man fühlt die autobiographische Note des Regisseurs in jeder Minute und nimmt ihm ab, zu wissen, worüber er berichtet.

5. März 2012

I saw the Devil




Jahr: 2010

Genre: Thriller

Regie: Jee-woon Kim

Schauspieler: Lee Byung-hun, Choi Min-sik









Plot:
Die Tochter des Ex-Polizeipräsidenten Jang wird entführt und brutal ermordet. Der Täter, Kyung-chul, ist ein Serienmörder und gefährlicher Psychopath, der es bis jetzt erfolgreich geschafft hat, mit seinen Taten ungefasst davonzukommen. Kim Soo-hyeon, Geheimagent und kürzlicher Verlobter seines letzten Opfers, schwört an ihrem Grab blutige Rache, der Täter solle so sehr leiden, wie sein Opfer. Mithilfe seines Fast-Schwiegervaters bekommt er die Akten der vier Hauptverdächtigen und macht sich auf den Weg, seine Rache zu bekommen. Die ersten Beiden misshandelt er grausam, nur um herauszufinden, dass sie nicht die Täter waren. Die Adresse des Dritten, bei dem es sich um Kyung-chul handelt, führt zu seinem Elternhaus, in dem auch sein Sohn lebt. Dieser kann ihm seinen jetzigen Aufenthaltsort verraten. In der kleinen Hütte findet Kim in einem Schrank Damenhandtaschen, BHs und Schuhe vor, und auch der Verlobungsring Jangs, den sie im Keller verloren hatte und er merkt, dass er den Täter – beziehungsweise sein Opfer – gefunden hat. Später, als Kim zurückkehrt, findet er Kyung vor. Dieser hat gemerkt, dass man ihm dicht auf den Fersen ist. Er ist über ein junges Mädchen gebeugt, das er bei seinem eigentlichen Job als Schulbusfahrer entführt hat, vergewaltigen und ebenfalls töten will. Kim überwältigt Kyung, schlägt ihn brutal zusammen und kurz bevor er ihn töten könnte, steckt er ihm einen Peilsender in Form einer Tablette in den Hals und lässt ihn mit einer Menge Geld zurück. Das Spiel hat gerade erst begonnen.

Über den Film:
I saw the Devil ist ein Racheepos, wie man ihn in koreanischer Manier gewöhnt ist. Brutal und kompromisslos. Wie schon in Park Chan-wooks Rachetrilogie mutiert der geschädigte zu einem Mann, der sich mit der Fahne der Selbstjustiz ihren Weg zur Wahrheit durchschlägt. Jee-woon Kims Film geht da allerdings noch einen Schritt weiter. Die nietzschehafte Entwicklung des Protagonisten ist immer zu bemerken, sodass sogar der eigentliche Täter und Psychopath seinen Jäger als solchen bezeichnet und stellenweise Angst vor ihm bekommt. Gefühllos, fast katatonisch, schlitzt sich Kim Soo-hyeon erst zu dem Täter/seinem Opfer vor, nur um ihn dann immer weiter zu quälen und gleichzeitig neue Gräueltaten von ihm zu verhindern. Was folgt ist ein gnadenloses Katz-und-Maus-Spiel und ein Kräftemessen zweier Männer, die nichts mehr zu verlieren haben, außer das Spiel selbst.

Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht bei zum Ungeheuer wird.
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein
Friedrich Nietzsche

Brutal und kompromisslos ist I saw the Devil und das weiß der Regisseur auch sehr gut darzustellen. Teils sehr drastische Darstellungen von Gewalt sind zu sehen, wie man es von ostasiatischen Filmen dieser Art gewohnt ist und erwartet.


Meinung:
Rache um jeden Preis. Fühlt man anfangs noch mit dem Protagonisten mit und gönnt ihm seinen Feldzug, merkt man allerdings bald, wie sehr er sich selbst in die Täterrolle setzt und wie brutal er seinen Weg geht. Insgesamt ist I saw the Devil aber ein großartig inszenierter Racheepos, der mit Brutalität allerdings nicht geizt. Die nietzschehaften anleihen tun ihm sehr gut und bereichern die Idee, die schon oft aufgegriffen wurde, um vieles!

2. März 2012

Gummo




Jahr: 1997

Genre: Dokudrama

Regie: Harmony Korine

Schauspieler: Jacob Reynolds, Chloe Sevigny







Plot:
Anfangs wird von einem Wirbelsturm berichtet, der die Kleinstadt Xenia in Ohio vor einer Weile verwüstet hat. Die Menschen dort mussten dabei schreckliches mitansehen, beispielsweise wie ein Mann, nachdem er erfasst wurde, mit herausstehenden Knochen auf dem Boden gelandet ist oder ein Hund, der sich in einer Fernsehantenne verfangen hat.
Der restliche Teil des Filmes berichtet vom Leben der Leute, vor allem der Kinder und Jugendlichen, in Xenia. Da wären zum Beispiel Solomon und Tummler, die Jagd auf streunende Katzen machen, um sie dann an den örtlichen Fleischhändler zu verkaufen. Oder die Schwestern Darby und Dot, welche sich anscheinend nur um ihr Aussehen und ihre Katze Food Food kümmern und sorgen. Ein Junge, der nur in mit einer Hose und dem Kopfteil eines großen, rosanen Hasenkostüm bekleidet ist, vertreibt sich die Zeit mit verschiedenen Dingen, wie von einer Brücke pinkeln und spucken. So vergeht die Zeit in Xenia, ohne das viel passiert bis auf die eigenen, hausgemachten Probleme.

Über den Film:
Der Plot ist etwas verwirrend und unzusammenhängend? So ist das auch wohl mehr oder minder von Gummo gewollt. Der ganze Film ist mehr im Stile einer Dokumentation aufgezogen, so werden zum einen immer wieder die gleichen Menschen gezeigt, was sie gerade tun und denken, und das abwechselnd, mal Solomon und Tummler, mal Darby und Dot, mal der Hasenjunge oder mal ein Treffen mit anderen Leuten beim Kräftemessen im Armdrücken beispielsweise. Unterstrichen wird der Dokucharakter von Gedankeneinblendungen der einzelnen Figuren, vor allem der beiden Katzenjäger, die aus ihrer Vergangenheit und ihrem jetzigen Leben erzählen. Ebenso ist die Technik an sich eher schlicht und teilweise amateurhaft mit wackelnder Kamera und Super 8 Filmen gehalten. Dies zusammen ergibt den Eindruck, man sähe hier tatsächlich das Leben in einer amerikanischen Unterschicht-Kleinstadt, bei der der geflügelte Begriff „White-Trash“ ziemlich genau zutrifft. Vor allem auch, da die Schauspieler fast allsamt Leien sind, die sich einfach selbst zu spielen scheinen.
Die sich so entwickelte Gesamtsituation scheint durch die vergangene Tragödie des Wirbelsturms ausgelöst worden zu sein, den die Bevölkerung des Städtchens wohl nie wirklich verarbeitet hat und sie jetzt einfach so vor sich hinleben, verrohen und vor allem gegen die Langeweile ankämpfen.
Zusammen mit einem eher unkonventionellen Soundtrack, der tief in die Black Metal Kiste greift und so in manchen Szenen Lieder von Bathory oder Niefelheim einspielt oder Gedankenszenen mit Burzums Ambientestück „Rundgang um die transzendentale Säule der Singularität“ hinterlegt werden, schafft eine ganz eigene und eigenartige Atmosphäre, die einen zugleich fasziniert aber auch abschreckt.

Meinung:
Harmony Korine hat eine eigene, seltsame Art des Filmemachens. Nach seinem Drehbuchdebüt Kids, das vom Grundthema der verrohenden Jugendlichen, ihren Situationen und wie sie damit umgehen, recht ähnlich ist, führte er hier selbst Regie. Die Situation hat mich teilweise an (eine abgeschwächte Version) der Spielereihe „Fallout“ erinnert. Nach der Katastrophe versuchen die Menschen weiterzuleben und damit klarzukommen, was passiert ist, wobei sich eine eigene Struktur und Kultur entwickelt. Da es gleichzeitig auch einen autobiographischen Ansatz Korines gibt, bleibt die Frage offen, inwiefern und ob sich eine solche Welt am Rande der Gesellschaft wirklich entwickelt. Seltsam und auf eine eigene Art faszinierend.


1. März 2012

Audition




Jahr: 1999

Genre: Horrorthriller

Regie: Takashi Miike

Schauspieler: Ryo Ishibashi, Eihi Shiina








Plot:
Shigeharu Aoyamas Frau stirbt und lässt ihn mit dem gemeinsamen, kleinen Sohn zurück. Sieben Jahre später überredet der Sohn den Vater, mit dem Argument, er sähe alt und depressiv aus, wieder zu heiraten. Mit hohen Ansprüchen an die Zukünftige und keiner Ahnung, wie er sie kennenlernen soll, lässt sich Aoyama auf den Vorschlag eines Freundes ein: Für einen fiktiven Film soll es vorsprechen für die weibliche Hauptrolle geben und unter den Bewerberinnen soll er sich seine Frau aussuchen. Schon in den Bewerbungsunterlagen entscheidet der Witwer sich für ein Mädchen, Asami Yamazaki. Diese führt er aus und lernt sie kennen. Doch mit der Zeit schleichen sich Ungereimtheiten in die Angaben der Auserkorenen. Genauso sieht man Asami in immer längeren Einblendungen in seltsamen Posen, wie in einem leeren Raum vor einem Telefon kauernd, nur auf Aoyamas nächsten Anruf wartend und labil grinsend, wenn dieser kommt. Bald verschwimmen die Grenzen zwischen den zwei Welten, in der Asami einmal die herbeigesehnte Traumfrau und ein andermal der personifizierte Horror ist. Nicht sicher, was Real und was Fiktion versucht Aoyama in Erfahrung zu bringen, wer seine Angebetete denn nun wirklich ist.

Über den Film:
Über Audition fällt es schwer, etwas Konkretes zu schreiben. Was als mehr oder weniger harmlose Liebesfloskel anfängt, endet in einem Verwirrspiel zwischen zwei parallelen Realitäten, von denen weder der Zuschauer noch der Hauptcharakter selbst wirklich weiß, was jetzt wirklich passiert und was ein Traum oder Einbildung ist. Plätschert der Film anfangs ziemlich gemächlich, fast etwas langweilig vor sich hin, streuen sich mit der Zeit kurze, verstörende Szenen ins Geschehen, die das grausame Ende langsam aber sicher andeuten. Zeitsprünge verwirren des Weiteren noch mehr. Beispielsweise springen Aoyama und Asami bei einem Date in Konversation und Ort von Einem zum Anderen. Später greift Audition das auf, um wieder dorthin zugehen und fügt weitere Gesprächsfetzen hinzu oder ändert schon gesagtes ab.
Was genau geschieht oder eher, was genau wirklich Real ist, beantwortet der Film nicht. Es bleibt offen oder dem Zuschauer überlassen, ob es sich um einen Alptraum handelt, aus dem sich das Opfer versucht herauszuträumen, oder um das schlechte Gewissen Aoyamas, dass aufgrund der Lüge, die zum Kennenlernen geführt hat, ihn in seinem vermeintlichen Erfolg immer wieder mit Alpträumen und schrecklichen Visionen plagt.

Meinung:
Audition ist, wie mehrfach geschrieben, ein ziemlich verwirrender Film. Gleichzeitig ist er auch sehr brutal bis eklig, erinnert er in mancher Darstellung an den ersten Saw (mit dem der Film im Ganzen aber auf keinen Fall vergleichbar ist). Er ist in seiner Art ein typischer japanischer / ostasiatischer Streifen, welche zugegebener Maßen nicht unbedingt immer meine ist. Aber dennoch lohnt es sich immer mal wieder, über seinen Rand und solche Filme zu schauen.
Japanisches Verwirrspiel zwischen Liebe, Hass, Verlangen und Brutalität.