21. Februar 2012

II - Erkenntnisse ...



… nach 10 Filmen.
Ok, nicht direkt 10. Von meiner Liste habe ich schon, bevor ich begonnen habe darüber zu bloggen, einige mehr gesehen (sogar schon 29). Aber erst durch die 10, die ich gesehen, etwas durchdacht und in Form eines Reviews beschrieben habe, ist mir die Möglichkeit besser gegeben, einen etwas globaleren Blick auf die Dinge zu entwickeln.

A Serious Man
Erstmal finde ich es großartig, dass neben dem üblichen Hollywoodkino noch so viel Platz für Nieschenfilme besteht. Vor allem in Europa, aber auch in Amerika. Die bis jetzt gesehenen Filme sind größtenteils Dramen oder Thriller. Sie reißen mich um einiges mehr mit, als große Blockbuster-Produktionen. Diese warten zwar mit einem gewaltigen Budget und großen Namen auf, aber über die üblichen 90 – 120 Minuten heraus wissen selten weiter zu unterhalten. Sie sind - bis jetzt - allsamt relativ realistisch gehalten. Oft mit Bezug zu menschlichen Problemen, wie Drogen (Naked Lunch), Missbrauch (Mysterious Skin) oder Sinnsuche (A Serious Man). Auch Gefühlen wie Trauer (Antichrist) und Begierde (Happiness) werden behandelt. Das macht sie für mich als Zuschauer, wenn ich ihnen denn die Chance gebe, viel zugänglicher. Viele Möglichkeiten, sich irgendwie wiederzufinden oder etwas aus dem Film mitzunehmen ist damit auch mehr gegeben. Oft ganz im Gegensatz zu Lone – Ranger Actionfilmen oder hochstilisierten, aber höchst unrealistischen Liebesfilmen. Diese kommen zwar auch über die Gefühlsschiene, aber auf eine andere Weiße. 

Menschenfeind
Mir kommt oft der Vergleich von Film zu einem abstrakten Objekt in den Sinn. Das, je weniger Kanten es hat, auch mit weniger kollidiert, dafür aber blass und ohne wirkliche Kontur bleibt. Filmfirmen versuchen natürlich, mit ihrem Produkt einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften. Das ist ihnen auch nicht zu verdenken. Aber dafür opfern sie meist so viel. Sie versuchen eben, den Film für möglichst viele oder idealerweise alle gefällig zu gestalten. Übrig bleibt eine kurze Zeit der Unterhaltung für die Spieldauer des Filmes. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Hat das Objekt mehr Kanten und Spitzen, wird es mit viel anecken und Kontroversen hervorrufen. Die sind wohl nicht im Sinne der Geldmaschinerie. Allerdings zeigt sich mit denen erst ein, wenn nicht das, Potential des Mediums Film auf. Neben der Unterhaltung wäre das meiner Meinung nach nämlich die Darstellung der Probleme der Protagonisten und wie sie auf ihre Art versuchen damit umzugehen. Auch wenn diese oft nicht wirklich die Korrekte ist. Dabei sollte immer die Möglichkeit zur Interpretation und Reflexion wahrgenommen werden. Es ist sehr einfach, kontroverse Filme (wie z.B. Menschenfeind) zu verdammen. Diese stellen kranke und perverse Fantasien und Gedanken in den Vordergrund und verurteilen sie nicht direkt. Aber das ist nicht immer Aufgabe des Mediums, sondern die des Konsumenten. Wenn dieser angewidert ist von dem, was der Film zeigt, hat er vielleicht genau das geschafft, was die Intention seines Schöpfers war. Und wenn das alles dann noch in nachvollziehbarem Rahmen geschieht, mag das umso weniger gefallen. Ich meine damit, wenn man mitbekommt, warum der Charakter in das Loch gefallen ist, in dem er sich befindet und warum er nicht mehr hinauskommt. Vielleicht sieht der Protagonist nur noch ein Ausweg und somit sieht der Zuschauer auch nur diesen. Es wird ihm gnadenlos gedanklich keine andere Möglichkeit mehr gegeben, ein Hintertürchen zu finden. Das ist aber umso besser für die Dramatik des Films, der einen jetzt vollkommen in sich hineingezogen hat. Das ist Kunst! Wobei man sich auch in den Interpretationen verlieren kann und Dinge sehen will, die nicht da sind. Nur um das Gesehene aufzuwerten und seine Daseinsberechtigung zuzusprechen. Wobei diese eigentlich bei jedem Film, egal welcher Art, gegeben sein sollte.

Antichrist
Die Kunst als Opfer des Geldes. Schön, wenn es aber dennoch so viele Filmemacher gibt, die Wert auf den künstlerischen Aspekt legen. Dies ist ihnen wichtiger als die möglichst hohe Gewinnabschöpfung zu erwirtschaften und ihre Kunst nur noch als Massenprodukt verkaufen. Ich freue mich auf viele weitere, neue Filme dieser Art, nicht nur die der Liste.

20. Februar 2012

Antichrist




Jahr: 2009

Genre: Psychothriller

Regie: Lars von Trier

Schauspieler: Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg








Plot:
Während des ehelichen Beischlafens im Badezimmer klettert Nic, der kleine Sohn des nicht näher benannten Ehepaares, aus seinem Laufstall und über einen Stuhl auf den Fenstersims des offenen Fensters. Er fällt und stirbt. Bei der Beerdigung fällt die Frau in Ohnmacht, wird ins Krankenhaus eingeliefert, in dem sie mit Medikamenten gegen ihre Trauer und ihre Selbstvorwürfe behandelt wird. Der Mann, selbst Therapeut, ist mit dieser Methode nicht einverstanden, da sich selbst nach einem Monat keinerlei Zustandsbesserungen zeigen und beschließt, sie ab sofort selbst zu therapieren.
Nach den ersten, teils vergeblichen Versuchen beschäftigt er sich mehr damit, wovor die Frau Angst hat, was nach ihren Angaben der Wald, in dem sie sich früher wohl gefühlt hat, ist, genauer gesagt, Eden, eine kleine Hütte im Wald, in der sie früher schon gewesen waren. Damit sie sich ihrer Angst stellt, was, laut ihm, ihrem Prozess der Trauerbewältigung beiträgt, machen sie sich auf dorthin. Unterwegs bereitet er sie mithilfe von Gedankenexperimenten auf den Besuch in Eden vor und dort angekommen will der Mann mit der eigentlichen Therapie beginnen. Doch dort merkt er, dass nicht nur ihre Angst der Heilung im Wege steht. Nach und nach entfaltet sich eine Spirale von Sex und Gewalt zwischen den Beiden und selbst die ganze Natur scheint sich gegen sie zu richten, während er immer tiefer zum eigentlichen Grund der Probleme vordringt.

Über den Film:
Antichrist ist kein Film für zwischendurch und eigentlich auch kein Film, den man nur einmal sehen kann, um ihn zu begreifen. Allerdings bleibt er auch bei mehrmaligem sehen immer noch recht rätselhaft und man – oder zumindest mir – erschließt sich nicht alles, was dieser Film aussagt. Und dies tut er, ohne wirklich aufgesetzt oder überkonstruiert zu wirken oder einem den Eindruck zu vermitteln, allein überkompliziert zu sein, ohne dass wirklich etwas dahintersteckt.
Alles in allem geht es um Trauer und Angst und um die Bewältigung derer. Der Film ist in vier Kapitel, Pro- und Epilog aufgeteilt, wobei die Kapitel nach den (vereinfachten) Stufen der Trauerbewältigung benannt sind, hier Trauer, Schmerz, Verzweiflung und dem Höhepunkt, in dem alle drei Gefühle aufeinandertreffen. Die drei Bettler, die diese Stufen symbolisieren, kommen in Form von einem Reh, dass seine Fehlgeburt erlitten hat, einem Fuchs, der sich selbst aufisst und einem Raben, der von den Toten aufersteht, die der Mann im Film sieht. Dabei ist zu beobachten, wie die Frau die verschiedenen Phasen durchlebt, was durch eine gewaltige Bildsprache gezeigt und somit zusätzlich dem Zuschauer nahe gebracht wird. Insgesamt ist die Darstellung von Gefühlen sehr bildlich und es werden immer wieder im ersten Moment befremdliche und irreale Szenen eingespielt, die von Gefühlsbeschreibungen der Frau erklärt werden.
Was man jetzt allerdings genau sieht, bleibt immer Interpretationssache, beispielsweise, ob es sich tatsächlich um einen Mann handelt, der versucht, seine Frau zu therapieren und dran fast zugrunde geht oder um eine metaphorische Darstellung von Gefühl (die Frau) und Vernunft (der Mann), die versuchen, mit schmerzlichen Emotionen wie Trauer und Ängsten umzugehen. So erkennt die Vernunft, welche Phasen gerade durchlebt werden und kommt mit der Zeit darauf, was genau der Grund für die Verzweiflung ist, wird aber vom Gefühl daran gehindert, diese zu überwinden. Oder vielleicht darf man das Ganze auch nicht so schwarz-weiß betrachten und es ist beides und noch mehr zu sehen.
Unterstützt durch eine gewaltige Szenerie und mit Defoe und Gainsbourg, die beide eine grandiose Darstellung liefern, entfaltet sich ein ganz eigener Charme des Bizarren.

Meinung:
Ein Film über und mit Trauer, dem Umgang und der Überwindung derer. Die explizite Darstellung von Sex und Gewalt sind weniger eigentliches Element von Antichrist, sondern vielmehr Ausdruck des Konfliktes, der zwischen den Gegensätzen herrschen. Sie können nicht ohne, aber noch weniger miteinander. Es baut sich eine ganz eigene, grandiose Harmonie des Horrors auf, die mich als Zuschauer nicht mehr loslässt und anfangs verwirrt zurücklässt. Ein absolut sehenswerter Thriller aus der Hand des kontroversen Regisseur Lars von Trier, der nicht zum Interpretieren und Reflektieren einlädt, sondern geradezu dazu auffordert! - Die Ästhetik des Grotesken.

17. Februar 2012

Menschenfeind




Jahr: 1998

Genre: Thriller

Regie: Gaspar Noé

Schauspieler: Philippe Nahon








Plot:
Zuerst wird die Vorgeschichte, die im Kurzfilm Carne gezeigt wird, kurz angerissen und etwas erweitert. Der Metzger, dessen Eltern in einem deutschen KZ ums Leben gekommen sind, wurde von der Mutter der gemeinsamen Tochter verlassen. Jahre später hegt er den Verdacht, Cynthia, seine Tochter, sei vergewaltigt worden und richtet den mutmaßlichen Missetäter übel zu, worauf er ins Gefängnis kommt. Er muss Metzgerei und Wohnung verkaufen und kann nach seiner Entlassung seiner Tochter nicht mehr wirklich unter die Augen treten, worauf er sich mit einer Barbesitzerin, die er geschwängert hat, in ein neues Leben aufmacht, mit dem Versprechen, sie finanziere ihm eine neue Metzgerei.
Am Anfang der Geschichte von „Menschenfeind“ lebt der Metzger mit seiner schwangeren Freundin, die er nur die Dicke nennt, bei  deren Mutter, die Alte, in einem Vorort nördlich von Paris. Da der Protagonist vom Geld der Dicken abhängig ist, die keinen Hehl mehr daraus macht, dass sie ihm wohl doch nicht die versprochene Metzgerei kauft, erniedrigt sie ihn und zwingt den Metzger diverse andere Jobs anzunehmen. Als dieser sich das nicht mehr gefallen lassen will kommt es zum handfesten Streit zwischen den Beiden und er tritt ihr in den Unterleib und prügelt auf sie ein. Daraufhin flieht er mit 300 Francs und einer Pistole mit drei Kugeln zurück nach Paris. Dort mietet er sich in das Hotelzimmer ein, indem er seine Tochter gezeugt hat und versucht sich durchzuschlagen, muss aber feststellen, dass ihm niemand helfen will. Kein alter Freund kann oder will ihn unterstützen und Arbeit bekommt er aus verschiedenen Gründen auch keine. In diese Sackgasse getrieben entwickelt der Metzger seinen Hass auf die Menschheit und alles, was mit ihr zu tun hat, immer weiter. Das einzige auf der Welt, was ihm noch etwas bedeutet, ist Cynthia, seine Tochter. Er beschließt, dass er etwas an den Dingen ändern muss.

Über den Film:
Menschenfeind spielt sich fast ausschließlich im Kopf des Metzgers ab. In fast allein Einstellungen ist sein Gesicht oder Teile davon zu sehen und der Film wird von gedanklichen Monologen des Protagonisten dominiert. Diese beziehen sich meist auf das gerade erlebte und sind durchzogen von depressiven, nihilistischen, soziopathischen, teils rassistischen und vor allem misanthropischen Gedanken geprägt. So reduziert er beispielsweise anfangs das Leben an sich auf die drei Punkte „Leben, Fortpflanzen, Sterben“ und ist froh, seinem zweiten Kind diese Hölle erspart zu haben. Er verneint Liebe und Zuneigung und ist der Überzeugung, das sind nur Begriffe um sich mit diesen an anderen zu bereichern. Gerechtigkeit und Moral sollte jeder für sich selbst definieren und das System, das aufgrund dessen, das es von ihm Unbekannten und schon längst verstorbenen Menschen geschaffen sei, sei abzulehnen. Es ist seiner Meinung nach unfair, da das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich zu groß und unüberwindbar ist. Da sei es nur verständlich, wenn die erniedrigten Armen ab und an mal gewalttätig werden.
Immer wieder gibt es Einblendungen von Wörtern oder Schriftzügen, die wie ein Gewehrschuss auf den Zuschauer treffen, um gedachtes oder gesehenes zu Untermauern. Passieren tut sonst relativ wenig, der Film ist, wie schon geschrieben, fast ein einziger Monolog des Metzgers, der über die Zeit hin seine eigene Philosophie über das Leben entwickelt und versucht, damit zurechtzukommen und sich an das einzige hält, für das er wirklich Liebe empfinden kann. Doch was ist der gerechte und moralischste Ausweg für sie und ihn in dieser Situation?

Jedem seine Moral. Jedem seine Gerechtigkeit.

Meinung:
Gaspar Noés Fortsetzung seines Kurzfilms Carne ist stilistisch dem recht ähnlich. Es geht um einen Menschen, der mit einer sich immer weiterentwickelnden, misanthropischen Haltung versucht durchs Leben zu kommen. Dabei sind manche Szenen nicht leicht zu verdauen. Nicht ohne Grund gibt es gegen Ende des Films eine Einblendung: „Sie haben30 Sekunden um die Vorführung dieses Films abzubrechen. GEFAHR!“. Die darauf folgende Szene ist tatsächlich sehr krass. Wer hier jetzt Splatter und Gore im Stile von SAW erwartet, der sollte sich den Film nicht ansehen. Es folgt ein Höhepunkt, der zwar auch blutig, aber vor allem geistig brutal ist und nicht für jeden leicht zu verdauen sein sollte.
Menschenfeind wird nicht jedem gefallen, aber er ist es wert, geschaut zu werden. Wie man mit dem Gesehenen umgeht, dass muss jeder für sich alleine entscheiden.

16. Februar 2012

Carne






Jahr: 1991


Genre: Thriller

Regie: Gaspar Noé

Schauspieler: Philippe Nahon








Plot:
Der Hauptcharakter – im Film nur als „Metzger“ bezeichnet – wird von seiner Frau verlassen, kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Cynthia. Die Frau wollte das Kind nicht und hat eine offensichtliche Abneigung schon während der Schwangerschaft entwickelt.
Jahre vergehen, in denen der Hauptcharakter in seiner Pferdemetzgerei in Frankreich arbeitet und das Mädchen, für ihn viel zu schnell, aufwächst. Cynthia spricht nicht und ist auch sonst sehr unselbstständig, weswegen der Metzger ihr viel Zeit und Aufmerksamkeit widmen muss, was er aber gerne tut. Eines Tages bekommt sie ihre erste Regel und hat dadurch einen Blutfleck auf ihrem Rock, womit sie aber nicht viel anfangen kann. Ein Nachbar berichtet, als der Protagonist sie sieht, er habe sie mit einem Bauarbeiter gesehen, der sie bedrängt hat. Daraufhin sucht der Metzger den erstbesten Arbeiter, sticht ihn mit einem Messer in den Mund und schlägt auf ihn ein. Für sein Verbrechen kommt er ins Gefängnis, muss Wohnung und Metzgerei verkaufen und Cynthia in eine Pflegefamilie. Dort entwickelt er Hass und Abneigung gegen die Menschheit, das einzige, was ihm noch etwas bedeutet ist seine Tochter.

Über den Film:
Carne – so wird auch da rotblaue Pferdefleisch bezeichnet, das außer in Frankreich verboten ist – ist sehr brutal und avantgardistisch aufgezogen. In einer der ersten Szenen sieht man, wie ein Pferd geschlachtet wird und darauf, wie der Metzger ein Stück dessen gekochten Fleisches ist. Die Aufnahmen sind teilweise sehr ungewöhnlich, so sieht der Zuschauer oft nur Mund und Nase der Figuren. Schnelle Schnitte verstärkt mit Lauten Geräuschen kommen sehr häufig vor.
Es handelt sich hierbei um einen Kurzfilm von circa 40 Minuten und ist die Vorgeschichte von „I stand Alone“ beziehungsweise „Menschenfeind“

Meinung:
ACHTUNG Dieser Film beinhaltet schockierende Bilder und eine grobe Sprache. So der Hinweis am Anfang von Carne. Und das zu Recht, ein paar Szenen sind sehr explizit dargestellt und gewollt brutal. Gaspar Noés Kurzfilm zeigt die Rache eines Vaters, der immer mehr vom Schlechten der Menschen und der Unsinnigkeit des Lebens überzeugt ist. Ich bin auf die Fortsetzung gespannt!

Naked Lunch




Jahr: 1991

Genre: (Semi-) Biografie

Regie: David Cronenberg

Schauspieler: Peter Weller, Judy Davis, Ian Holm









Plot:
William Lee lebt im New York der fünfziger Jahre und ist Kammerjäger von Beruf. Zur Schädlingsbekämpfung nutzt er ein gelbliches Pulver, welches ihm während eines Auftrages ausgeht, was ihm in der Arbeitszentrale Ärger einbringt. Beim Mittagessen unterhält er sich mit zwei Freunden über das Schreiben. Während der Eine der Überzeugung ist, das etwas Geschriebenes umzuschreiben Zensur ist, meint der Andere, er würde jedes Wort hundert Mal ändern, bevor er zufrieden ist. Lee entgegnet mit dem Satz: „Jeden vernünftigen Gedanken sollst du vertilgen!“. Er erfährt daraufhin, dass wohl seine Frau an dem Ausgang seines Pulvers schuld sein. Zuhause erwischt er sie dabei, wie sie sich das Zeug aufgelöst in die Brust spritzt. Sie überredet ihn, auch von dieser Droge zu probieren, was er dann auch tut.
Später wird William von der Polizei über seine Drogenvergangenheit verhört. Als die Beamten den Raum verlassen bekommt er von einem riesigen Käfer den Auftrag, seine Frau zu töten, da sie eine Spionin und auch eigentlich gar kein Mensch sei. Danach besucht er Dr. Benway, der ihm eine Art Ersatzdroge gibt, um seine Frau von dem Gelben Pulver abzugewöhnen. Im darauffolgenden, weiteren Drogenrausch erschießt Lee sie, mehr oder weniger unabsichtlich, in den Kopf.
Daraufhin bekommt er den Auftrag, als Agent nach „Interzone“ im Nordwesten Afrikas zu reisen und von dort zu berichten. Dort entfaltet sich eine Spirale aus Drogen, insektoiden Gestalten und Maschinen, Sexualität, vor allem gleichgeschlechtlicher und weiteren, kuriosen Begebenheiten.

Über den Film:
Naked Lunch ist die Verfilmung des gleichnamigen Buches aus dem Jahr 1959 von William S. Burroughs. Der Film zeigt allerdings nicht direkt die Geschehnisse, wie sie im Buch geschildert sind, sondern die Entstehung desselben. Interpretationsstoff bietet Naked Lunch sehr viel. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Realität, Wahn und Fiktion durch den Drogenkonsum des Protagonisten immer mehr zu einer Einheit verschwimmen und dadurch eine eigene, von Lee selbst erschaffene Wirklichkeit gezeigt wird. Einige Hauptaspekte sind im Film immer wieder zu finden. Zum einen das Schreiben an sich, mit dem sich William die ganze Zeit beschäftigt, anscheinend relativ unzusammenhängend. Dann vor allem Homosexualität, vor der sich der Hauptcharakter zu Anfang fürchtet, aber gegen Ende ihr immer mehr nachgibt, ohne aber wirklich die letzten Hemmungen vor ihr zu verlieren. Auch Insekten und ähnliche Gestalten, die mal so und mal in einer Art Kreuzung mit Schreibmaschinen auftauchen und man auch nicht immer sicher sein kann, wer gerade schreibt, das Insekt beziehungsweise die Maschine, das Lee hin und wieder Sätze vorgibt oder er selbst. Der letzte, große Aspekt sind die Drogen, die Lee über den Film dauernd konsumiert und damit in immer zwischen anderen Wirklichkeitsebenen quasi wechselt.
Das alles dient der Veranschaulichung des kreativen Schaffens des Schreibers, der in Naked Lunch Darsteller und Autor in einem ist. Die Abschaffung und Zerstörung der Logik, die jedem kreativen Prozess im Wege steht ist ein offensichtliches Ziel Lees durch den Drogenkonsum. Im Film selbst gibt es eine kurze Zwischenszene, in der er wohl klar ist und mit seinen beiden Freunden vom Anfang redet, die ganz begeistert von seinem Geschriebenen sind. Als sie daraus vorlesen, erkennt William und auch ich, der Zuschauer, keine dieser Zeilen.

Hustlers of the World,
there is a Mark, you cannot beat:
The Mark inside …
(William S. Burroughs)

Meinung:
Naked Lunch ist ein kafkaesker Trip durch die Surrealität des Kreativen Schaffens. Pervers, Eklig, Brutal. Viel zu interpretieren gibt es und alles zu verstehen fällt sicherlich recht schwer, vor allem, da es sich um eine Art Biographie William S. Burroughs handelt. Auf jeden Fall ein interessanterer Streifen, das Autor/Akteur Prinzip überzeugt und verwirrt zugleich. Das anfängliche Zitat eines mittelalterlichen, islamistischen Religionsführer (Hassan-I Sabbah) zieht sich wie ein roter Streifen durch den gesamten Film:

Nichts ist wahr; Alles ist erlaubt.

13. Februar 2012

Caché




Jahr: 2005

Genre: Thriller

Regie: Michael Haneke

Schauspieler: Daniel Auteuil, Juliette Binoche








Plot:
Die Familie Laurent bekommt ein Videoband, auf dem ihr Pariser Haus zwei Stunden lang von außen zu sehen ist und wie sie, Vater George, Mutter Anne und Sohn Pierrot aus- und eingehen. Etwas irritiert von der Begebenheit ignoriert Das Ehepaar das Band. Als kurze Zeit später ein zweites Band auftaucht, zusammen mit einer primitiven Zeichnung eines Menschen, aus dessen Mund Blut fließt, beginnt die perfekte Idylle der Familie langsam zu bröckeln, Misstrauen zwischen den Eheleuten entsteht und auch der Sohn bekommt negatives über seine Eltern eingeflüstert. Mit dem dritten Band verhärtet sich der Verdacht Georges, es könnte sich um die späte Rache seines fast- Adoptivbruders Majid handeln, den er als Kind vom Hof seiner Eltern vertrieben hatte. Sich selbst keiner Schuld bewusst und von einem weiteren Band zu ihm getrieben, stellt er Majid, der allerdings beteuert, er habe damit nichts zu tun. Weitere Bänder aus immer intimeren Momenten wie dem Gespräch der Fastbrüder, tauchen auf. Und das nicht nur bei den Laurents zuhause.

Über den Film:
Michael Henke wollte mit Caché einen Film schaffen, der den Schutz und die Unberührtheit der Privatsphäre durchdringt. Die eigentlich gut laufende Ehe wird dadurch auf die Probe gestellt und Zweifel, Zwietracht und Misstrauen schleichen sich in das Leben der Laurents. Lange Einstellungen, die sich desöfteren als die Videoaufnahmen des gänzlich unbekannt Bleibenden entpuppen, dominieren den Film. Dies, gepaart mit einer relativen Ereignis- und Spannungslosigkeit lässt den Zuschauer – oder in dem Fall mich, ich möchte hier nicht für jeden sprechen, vor allem da der Film recht hoch gelobt wurde – in Langeweile zurück.
Der österreichische Regisseur versucht nach eigenen Aussagen, mit dem Film „einen Nerv treffen“ und „schockieren“. Schockiert hat mich dieser Film eher weniger, mir auf die Nerven gegangen ist er dabei umso mehr. Die Thematik der verdrängten Vergangenheit, die durch das Handeln Georges als Sechsjähriger behandelt wird, hätte kürzer und prägnanter angesprochen werden können, sie geht schon fast unter neben den Mysterium um die Videobänder, das versucht wird zu erschaffen. Daran ändern auch weder die solide Filmtechnik noch die durchweg gute, schauspielerische Leistung der Akteure etwas.

Meinung:
Ich werde mit Michael Haneke, beziehungsweise mit seinem Stil, Filme umzusetzen, nicht wirklich warm. Wie schon bei Funny Games – das ich sicherlich auch noch reviewen werde – versucht auch Caché eine eigentlich nicht unbedingt uninteressante Idee umzusetzen. Aber durch die Aufmachung und die Art, wie diese dargestellt wird, verliert sich diese in Belanglosigkeit. Der Regisseur versucht, wie er in Interviews andeutet, seine Zuschauer zu verwirren und sie damit dazu zu bringen, über die Thematik nachzudenken. Ich war verwirrt und habe nachgedacht. Aber über den Sinn des Filmes, und ich konnte nicht wirklich einen finden. Und ein weiterer Kritikpunkt, den ich sonst eigentlich sehr ungern formuliere, bei Michael Henke Filme – bis jetzt – aber ganz gut passen: Dabei nimmt sich der Film auf eine gewisse Art zu sehr selbst wichtig, um seine Botschaft richtig rüberzubringen.

10. Februar 2012

Mysterious Skin




Jahr: 2004

Genre: Drama

Regie: Gregg Araki

Schauspieler: Joseph Gordon-Levitt, Brady Corbet









Plot:
Brian und Neil teilen sich ein Schicksal: Sie wurden beide mit 8 Jahren misshandelt.
Während Brian mit blutiger Nase und Blackout zuhause im Wandschrank aufwacht, machte Neil die mehrfachen Vergewaltigungen fast freiwillig mit, da der sehr frühreife Junge seine Homosexualität und Vorliebe für ältere Männer schon damals erkannte.
Zwei Jahre später, an Halloween, sieht man die ersten Auswirkungen des Verbrechens. Brain ist sehr leicht zu schocken und fällt sehr oft mit blutender Nase in Ohnmacht und während eines solchen Anfalls seinem Peiniger erneut in die Arme. Neil wiederrum ist aggressiv und zwingt anderen Jungs seine Sexualität auf, vor seiner guten Freundin Wendy macht er keinen Hehl daraus, die dabei zuschaut.
Mit 15 Jahren vertreibt sich Neil als Stricher für ältere Durchreisende die Zeit und Brain, der das Erlebte immer noch verdrängt, versucht dahinterzukommen, was mit ihm damals passiert ist. Durch einen Fernsehbeitrag über Alienentführungen findet er eine vermeintliche Antwort und flüchtet sich immer mehr in diese Vorstellung.
Mit 19 fängt Brain sich, auch dank Avelyn, einer Farmerstochter, die auch behauptet, entführt worden zu sein, an zu erinnern. Und zwar an einen Jungen, der bei ihm war. Neil ist in inzwischen seiner Freundin Wendy nach New York gefolgt und lebt sich dort aus.

Über den Film:
Mysterious Skin ist ein intensives Drama über die Folgen früher Misshandlungen. Die parallele Darstellung der Entwicklung der beiden Kinder zeigt dies ohne zu Pauschalisieren oder zu Verharmlosen. Während Neil, der die Sache ja fast freiwillig und auch mehrfach mitmacht, dafür von seinem Peiniger auch des Öfteren kleine Geldbeträge und vor allem die Zuneigung, die ihm zuhause fehlt, bekommt, sehr kaltherzig und stoisch durch sein Leben wandelt und nichts wirklich an sich heranlässt entwickelt sich Brain zu einem asexuellen, ängstlichen Jungen, der einfach nur wissen will, was mit ihm passiert ist. Erinnerungsfetzen und Gedankenspiele von außen beeinflussen ihn dabei sehr stark bei der Wahrheitsfindung.
Der Film ist mit einer besonderen Ruhe gedreht, bis auf eine (End-) Szene bleibt er gewaltlos, aber das Leiden der Protagonisten ist trotzdem zu jeder Sekunde deutlich Mitzufühlen. Der in sich zerrissene Neil, der die Liebe, die er seiner Meinung damals bekommen hatte, vermisst und sein weiteres Handeln durch das Erlebnis als normal Empfindet, besonders großartig dargestellt durch Joseph Gordon-Levitt, und der ängstliche Brain stehen in ihren Entwicklung dabei in einem krassen Gegenteil.

Meinung:
Gregg Arakis wagt sich mit diesem Film an Misshandlung und Jugendprostitution heran, zwei Themen, mit denen sich viele Regisseure sicher schon einzeln schwer tun würden. Die Darstellung der Ereignisse ist dabei sehr mitreisend und trotz des eigentlich fast gänzlich fehlenden Gräuels geht Mysterious Skin direkt unter die Haut.

8. Februar 2012

Happiness




Jahr: 1998

Genre: Drama

Regie: Todd Solondz

Schauspieler: Philip Seymour Hoffman, Lara Flynn Boyle, Dylan Baker








Plot:
Die drei Schwestern Joy, Trish und Helen könnten unterschiedlicher nicht sein. Helen ist erfolgreiche Autorin, Trish wiederrum hat Mann und zwei Kinder und Joy wäre gerne Künstlerin und seht sich einen Traummann herbei, ist aber zu schüchtern, um beides wirklich in Angriff zu nehmen. Die Gemeinsamkeit der Drei ist ihre Unzufriedenheit, mit dem, was sie haben und die Fähigkeit, dies zu überspielen. Helen findet ihr Leben zu belang- und ereignislos, um ihren Romanen Tiefe zu verleihen. Um dran etwas zu ändern versucht sie ihren Stalker zu weiteren Schritten zu bewegen. Dieser stellt sich als ihr Wohnungsnachbar heraus, ein verklemmter und schüchterner Fleischkloß mit weiteren perversen Eigenschaften, wegen denen er auch zum Psychiater geht. Dieser ist Trishs Mann, der zuerst seine eigenen sexuellen Interessen unterdrückt, was ihm Gewaltträume verursacht. Seine Vorlieben wirken sich auch auf das Eheleben von Trish und ihm aus und er lässt seinen Trieben im Laufe des Films immer weiter Lauf. Joys stürzt sich in eine Affäre mit einem ihrer erwachsenen Nachhilfeschüler, der sie nur ausnutzt, sie ihn aber idealisiert, da ihr Exfreund nach ihrer Trennung Selbstmord begangen hatte. Gemeinsames Bindeglied der drei Schwestern sind die Eltern, die nach 40 Jahren Ehe vor einer Trennung stehen.

Über den Film:
Im idyllischen Vorstadtleben ist es die Fassade, die aufrechterhalten werden muss. Jede der Schwestern haben ihre mitunter krassen Probleme, aber voreinander spielen sie sich heile Welt und Glücklichkeit vor, auch wenn jede von der Anderen meint, ihre Probleme zu kennen und sie vor den eigenen zu schützen. Heile Vorstadtwelt und ihr hässliches, zweites Gesicht. Das gibt es hier in einer verwobenen Gesichte zu sehen. Dabei bleibt die Spannung von Anfang bis Ende konsequent gleich und hat somit keine Besonderen Höhepunkte, was aber ganz gut zum Thema passt, denn der Film zeigt, dass so etwas überall passieren kann, sei es nun der Familienvater, der heimlich auf kleine Jungs steht, der perverse Nachbar oder ein vermeintlicher Freund, der einen nur ausnutzt. Die Probleme der Figuren, vor allem die geistigen, werden dabei sehr deutlich.

Meinung:
Eine psychologische Studie über das Verhalten und Fehlverhalten von Menschen mit- und untereinander. Die getrennten, aber sich an manchen Stellen überschneidenden und beeinflussenden Geschichten sind gut erzählt und gespielt. Happiness ist ein anfangs leicht verwirrendes Drama der Realität.

5. Februar 2012

A Serious Man




Jahr: 2009


Genre: (Schwarze) Komödie, Drama

Regie: Joel & Ethan Coen

Schauspieler: Michael Stuhlbarg, Richard Kind










Plot:
Nimm in Einfachheit alles hin, was dir widerfährt

Mit diesem Zitat beginnt „A Serious Man“ von den Coen-Brüdern. Die kommende Szene spielt in einem jüdischen, mittelalterlichen Haus. Ein Mann kommt nach Hause und erzählt, er hätte Probleme mit dem Pferdewagen gehabt, hätte aber Hilfe von einem Traitle Groshkover bekommen, den er deswegen zum Essen eingeladen habe. Die Frau schreckt bei dem Namen auf und erklärt ihrem Mann, dass dieser Traitle, ein alter Mann, vor 3 Jahren an Typhus gestorben sei und es sich hier um einen Dibbuk - ein oftmals böser Totengeist - handeln müsse. Der Mann glaubt dies nicht und lässt Traitle hinein. Aus Angst ersticht die Frau den Gast allerdings. Lachend, etwas schwach wirkend und blutend, aber dennoch aufrecht gehen, verlässt der alte Mann das Haus.

Der eigentliche Film handelt von Larry Gopnik, einem jüdischen Physikprofessor, der auf seine Festanstellung an der Universität wartet. Er führt ein ruhiges und spießiges Leben in einer amerikanischen Vorstadt mit Frau und zwei Kindern. Doch dann bricht es von allen Seiten auf ihn hinein. Seine Frau möchte die Scheidung, möglichst im Glauben um direkt
wieder heiraten zu können, ein Student versucht ihn wegen einer schlechten Note erst zu bestechen und dann zu erpressen, sein Bruder Arthur, obgleich sehr intelligent, aber körperlich und sozial eher benachteiligt, nistet sich bei ihm ein und sein Kinder interessieren sich nur für Fernsehen und Feiern und fordern dies auch immer wieder von ihm ein. In seiner Verzweiflung sucht er Rat bei verschiedenen Rabbis, die ihm aber auch nicht so recht helfen können.

Über den Film:
A Serious Man setzt mit dem Sinn und Unsinn von Glauben auseinander, das es sich hierbei um Juden handelt spielt direkte Rolle, es könnte ebenso gut in einem christlichen oder noch anderem Umfeld spielen. Der Grund der gewählten Religion ist im Autobiographischen zu sehen.
Der Vorfilm nimmt eigentlich schon einen Großteil der Aussage vorweg. Dort stehen sich Glaube und Unglaube gegenüber und diskutieren über das Übersinnliche, nämlich, ob der Besucher ein Geist ist, oder nicht. Die Lösung gibt der Film nicht, der angebliche Dibbuk verlässt das Haus zwar sichtlich angeschlagen, aber gleichzeitig auch noch zu vital für seine Verletzung. Und genau da kommt der Zuschauer ins Spiel. Wer hier gerne eine Antwort hätte, denkt falsch, denn der Film sagt: „Bild dir deine eigene Meinung“ bis „Das ist eigentlich Egal“.

Während auf die Hauptfigur immer wieder und weitere schreckliche Ereignisse hereinbrechen sucht dieser, auch gedrängt von seiner Umwelt, göttlichen Rat bei den ortsansässigen Rabbis. Doch die ersten Beiden scheinen ihm keine wirkliche Hilfe zu sein, zum Dritten, dem Senior-Rabbi, wird er, zu seinem Unmut, nicht durchgelassen. Und je mehr er sich bemüht, alles in den Griff zu bekommen, umso mehr passiert um ihn herum. Da will seine Frau die Scheidung, bewegt ihn zum Auszug in ein Motel und dann muss er auch noch die Beerdigung des angedachten, neuen Gatten bezahlen. Ärger mit den Nachbarn, Studenten und die Anspannung wegen seiner Arbeit kommen auch noch hinzu. Dabei leidet Larry immer mehr unter Alpträumen und ist sich gegen Ende nicht mehr ganz sicher, was real ist, und was nicht. Will ihm Gott mit dem allen etwas sagen?
Eine Antwort bekommt Larrys Sohn nach seiner Bar Mitzwa, nach der er mit dem Senior-Rabbi reden darf, und das zitiert von etwas ganz irdischem: (Jefferson Airplain  - Somebody to Love)

When the truth is found to be Lies. And all your Hope within you Dies.
... Ja, was dann?

Sei ein braver Junge!


Meinung:
A Serious Man ist ein grandioser Film und setzt sich genau richtig mit dem Thema Glauben auseinander. Ob hinter dem ganzen Unglück jetzt göttlicher Wille oder nicht steckt, wird nicht geklärt und ist eigentlich auch unerheblich. Was passiert, passiert, ob jetzt durch Zufall oder Absicht, man muss einfach nur sehen, wie man damit klarkommt.
Glaube an Gott, lass es bleiben, such‘ dir deinen eigenen Weg, ohne jemand anderem zu Schaden.

1. Februar 2012

Dogtooth




Jahr: 2009

Genre: (Psycho-) Drama

Regie: Giorgos Lanthimos











Plot:
Was passiert, wenn Eltern ihre Kinder komplett von der Außenwelt abschotten und ihnen alles von Kindesbein auf selbst beibringen? Das versucht Dogtooth zu klären. Gemeinsam mit ihren beiden Töchtern und ihrem Sohn lebt ein anscheinend recht wohlhabendes Ehepaar weit abgeschieden hinter hohen Hecken und Zäunen. Die Kinder, oder eher jungen Erwachsenen, haben bis dato noch keinerlei Fuß außerhalb der Grundstückgrenzen gesetzt und dürfen das angeblich erst, wenn einer ihrer Eckzähne ausfällt. Ihr komplettes Wissen, ihr Weltbild und ihr Verhalten ist ihnen von ihren Eltern beigebracht, ja fast indoktriniert worden, und das auf immer verdrehtere Weiße, um das Trugbild, das erschaffen wurde, zu schützen. Angefangen mit falschen Beizeichungen für Dinge (Ein Zombie ist eine Gelbe Blume) bis hin zu den angeblichen Todesgefahren, die Hinter dem Zaun warten, manifestiert durch dem gefährlichsten Tier der Welt, einer Katze, die sich laut den Eltern auch den älteren Bruder, der nicht in dem Haus lebt, schnappt und tötet.
Der Einzige Kontakt zur anderen Welt stellt Christina dar, eine Sicherheitsfrau im Betrieb des Vaters, die für sexuelle Dienste an dem Sohn bezahlt wird. Diese holt sich wiederrum von der Älteren Schwester Befriedigung, im Gegenzug zu Geschenken von außen, wie beispielsweise Videofilme.

Über den Film:
Stilistisch erinnert Giorgos Lanthimos‘ Drama an Filme von Michael Haneke (zum Beispiel „Funny Games“, 1997). Ruhig, fast monoton und steril lässt er das Geschehen auf den Zuschauer los. Das passt soweit ganz gut zum Film an sich, lässt aber an der ein oder anderen Stelle etwas Langweile aufkommen, erinnert die Geschichte doch an eine noch pervertiertere Version von „The Village“ (M. Night Shyamalan, 2004). Im Film wird schnell klar, dass diese extreme Lebensweise schon fast an ihre Grenzen stößt, zeigt doch vor allem die jüngste Tochter schon früh im Film ziemlich psychotische Anzeichen, beispielsweise, wenn sie ihrer Puppe unter eigenen Schmerzensschreien Füße und Hände mit einer Schere abtrennt oder das sich die Kinder generell, obwohl offensichtlich schon (fast) volljährig, größtenteils noch weiterhin wie Kinder benehmen. Auch ist direkt zu sehen, dass viele Arrangements mehr Mittel zum Zweck sind, um die von den Eltern erzwungene, angebliche Idylle zu schützen, als wirklich gewollt. Eine Sache wäre da Christina, die bezahlt wird, um den sich natürlich im Laufe der Zeit entwickelten Sexualtrieb des Sohnes zu befriedigen, was wiederrum sehr mechanisch abläuft und zeigt, dass richtige Zuneigung und Liebe in diesem Haus einfach fehlen. Oder der Wortschatz, der schon von vornherein auf orwellsche Weise verändert wurde. Da werden das Meer zu einem „Ledersessel mit hölzernen Armlehnen“ und eine Muschi zu einer Stehlampe.
Technisch ist der Film wahrlich kein Meisterwerk, das bleibt für die Materie aber relativ unerheblich.

Meinung:
Dogtooth setzt sich mit einem interessanten, aber nicht neuen, Thema auseinander. Wer damit was anfangen kann und nicht direkt durch einen etwas monotonen Filmstil abgeschreckt ist, kann ruhig mal ein Blick auf die perverse Sicht totaler Weltfremdheit werfen. Ein richtiges Ende bleibt der sogar oscarnominierte Film (2011: Bester fremdsprachiger Film) dem Zuschauer schuldig, was nicht weiter schlimm ist, jedenfalls im Vergleich zu einem fehlenden Grund für die Isoliertheit. Schutz vor der Außenwelt oder ein perverser Machttrieb des Vaters, Anhaltspunkte gibt es wenig, aber sicherlich lässt sich einiges Interpretieren.